Große Einigkeit im Bundestag - Scholz: «Vor uns liegen harte Wochen »

Medizinische Versorgung sichern, Zuschüsse verteilen - das sind die
wichtigsten Ziele des Hilfspakets der Regierung, über das der
Bundestag im Eiltempo entscheidet. Die Opposition will zwar
nachbessern, doch selbst die AfD hält sich in ihrer Kritik zurück.

Berlin (dpa) - Angesichts der Bedrohung durch die Corona-Pandemie
haben im Bundestag alle Fraktion das Maßnahmenpaket der
Bundesregierung für Gesundheitsschutz und finanzielle Hilfen
unterstützt. Aus Sicht der Opposition fehlt bislang aber ein Plan für
das, was in zwei oder drei Monaten notwendig sein wird.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Mittwoch in der Generaldebatte
zur Lockerung der Schuldenbremse und zum historisch einmaligen
Hilfspaket für Unternehmen und Bürger in der Corona-Krise: «Vor uns
liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch
sind.» Scholz dankte Ärzten, Verkäufern, Busfahrern und anderen, die

trotz des Infektionsrisikos das öffentliche Leben am Laufen halten:
«Sie leisten Großes in diesen Tagen.»

Die nun nötigen Ausgaben könnten Bund und Länder nicht aus dem
laufenden Haushalt oder aus Rücklagen stemmen, betonte der
Finanzminister. Deshalb brauche es einen Nachtragshaushalt und eine
Nettokreditaufnahme von 156 Milliarden Euro. «Das ist eine
gigantische Summe» - beinahe die Hälfte eines regulären jährlichen

Bundeshaushalts. «Wir können uns das leisten», betonte Scholz.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Sitzung nicht teil, da sie
sich in häuslicher Quarantäne befindet. Der erste Test auf eine
Corona-Infizierung war negativ.

«Zusammenstehen ist jetzt erste Bürgerpflicht», sagte
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Nach dem Ende dieser Krise wolle
seine Fraktion aber die Fehler der Regierung benennen. Diese habe
nicht vorgesorgt und sei ihrer Verantwortung vor allem zu Beginn der
Pandemie nicht gerecht geworden. Grenzkontrollen seien zu spät
angeordnet, Schutzkleidung für medizinisches Personal nicht früh
genug beschafft worden. Neben finanziellen Hilfen für Bürger und
Firmen müsse die Regierung jetzt auch einen langfristigen Plan
vorlegen. Die Menschen wollten wissen, was geschehe, «wenn es in drei
Monaten immer noch keine Entwarnung gibt».

Jetzt zeigten sich die fatalen Folgen des Spardiktats und der
Privatisierung im Gesundheitswesen, sagte die Linke-Fraktionschefin
Amira Mohammed Ali. Das Maßnahmenpaket der Regierung enthalte trotz
einiger Schwächen jetzt «viele gute Regelungen, mit denen wir
einverstanden sind».

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kündigte eine schnelle Umsetzung
der Hilfspakete an. «Umsetzung ist jetzt das, was zählt», sagte der
CDU-Politiker. Nicht jeder könne aber so gestellt werden, als ob die
Krise nicht stattgefunden habe.

Die jetzigen Beschränkungen seien verhältnismäßig, sagte der
Vorsitzende der FDP-Fraktion, Christian Lindner, am Mittwoch im
Bundestag. «Der aktuelle Zustand widerspricht aber der menschlichen
Natur.» Er passe nicht zu einer offenen Gesellschaft, gefährde die
Wirtschaft und auch den sozialen Frieden, «wenn schon in der
allernächsten Zeit die Akzeptanz der Menschen sinken könnte», mahnte

Lindner. Der Zustand müsse deswegen «Schritt für Schritt, aber so
schnell wie möglich» überwunden werden.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, ihre Fraktion
stimme «voller Überzeugung» dafür, eine Ausnahme von der
Schuldenbremse zu machen. Sie lobte die Zusammenarbeit über die
Fraktionen hinweg: Es gehe nun um «Vertrauen in einen
handlungsfähigen Staat, der keine und keinen vergisst».

«Unser vorrangiges Ziel ist Leben retten» und gleichzeitig die
wirtschaftlichen Folgen halbwegs in Grenzen zu halten, sagte
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Möglicherweise müsse dafür bei de
n
Hilfspaketen noch einmal nachgelegt werden. Auch die Arbeitgeber
sollten helfen und Kurzarbeitergeld aufstocken.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unterstrich, dass auch in
Krisenzeiten die parlamentarische Demokratie nicht außer Kraft
gesetzt werde. Die weitreichenden Gesetze der Bundesregierung zur
Bekämpfung der Corona-Pandemie bedürften auch jetzt der Zustimmung
des Bundestages.

Schäuble forderte die Abgeordneten auf, sich bei der Sitzung an die
für alle geltenden Regeln zu halten und den nötigen Abstand zu
wahren, um niemanden anzustecken.