Selbstgenähte Schutzmasken - Kliniken wappnen sich für Corona-Welle

Die Bilder von überlasteten Krankenhäusern in Italien, die schwere
Covid-19-Fälle nicht mehr richtig versorgen können, haben auch in
Deutschland viele verunsichert. Die meisten Intensivstationen
hierzulande vermelden noch relative Ruhe, wappnen sich aber für mehr.

Berlin (dpa) - Die Situation auf den deutschen Intensivstationen ist
nach Angaben von Intensivmedizin-Verbänden und Deutscher
Krankenhausgesellschaft (DKG) insgesamt noch relativ normal, regional
gibt es aber große Unterschiede. Die Kliniken bekommen wegen der
aufwendigen Vorbereitungen auf die erwartete große Krankheitswelle
nach eigenen Angaben aber bereits die wirtschaftlichen Folgen der
Coronavirus-Pandemie zu spüren. Zudem fehlt es weiterhin an
Schutzausrüstungen für Mediziner und Pflegepersonal.

Die Situation auf den Intensivstationen sei momentan entspannt, hieß
es auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur bei der DKG, die dabei
auf das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung
für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verwies. Die Online-Datenbank
zeigt die Verfügbarkeit von Intensivbetten in rund der Hälfte der
Kliniken im Land an. Von konkreten Problemen infolge der
Coronavirus-Pandemie sei der DKG bisher nichts bekannt.

DIVI-Präsident Uwe Janssens, Chefarzt für Innere Medizin und
Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in
Eschweiler, sagte der dpa: «Im Moment geht es noch. Wir spüren so
langsam, dass doch mehr Patienten mit Covid-19-Erkrankung
reinkommen.» Dies seien aber nicht unbedingt alles Schwersterkrankte.
«Das sind tatsächlich viele Ältere mit dem klassischen
Krankheitsbild, Fieber, Lungenentzündung». Die Lage sei aber regional
sehr unterschiedlich.

Am Montagabend wurden laut DIVI-Datenbank im bevölkerungsreichsten
Bundesland Nordrhein-Westfalen 144 Menschen wegen Covid-19 auf
Intensivstationen behandelt, in Sachsen waren es 6. Mehrere
Bundesländer haben Notfallpatienten aus Italien und Frankreich
aufgenommen - weil dort mancherorts die Intensivstationen völlig
überlastet sind.

«Die große Welle von Schwerkranken wird aber noch kommen,
schätzungsweise in acht bis zehn Tagen», sagte Gernot Marx, Sprecher
des Arbeitskreises Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für
Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und Chefarzt für Operative
Intensivmedizin an der Uniklinik Aachen der dpa. Es sei schwer zu
sagen, wann der Höhepunkt zu erwarten sei. Man nutze die Zeit bis zum
großen Ansturm auch, um Personal, das nicht in der Intensivmedizin
arbeite, mit Abläufen und Beatmung vertraut zu machen.

Seit drei Wochen seien die Kliniken damit beschäftigt sich auf die
Krisenlage einzustellen, berichtet Janssens. «Es handelt sich um eine
logistische Umschichtung eines ganzen Systems hin zu
Notfallszenarien.» Die Intensivmedizin in Deutschland sieht der
DIVI-Präsident insgesamt gut gerüstet. So viele Intensivbetten habe
sonst kein Land in Europa. In Deutschland gibt es etwa 28 000 Betten
für Intensivpatienten. Was aber fehle seien Schutzausrüstung und
Pflegepersonal. «Wir können die Intensivkapazitäten an Betten
verdoppeln, aber es wird nicht mit einer Verdoppelung des
Intensivpersonales einhergehen». Pflegekräfte aus anderen Bereichen
müssten unterstützend in der Intensivpflege eingesetzt werden.

Für seine Klinik in Eschweiler würden wegen fehlenden Nachschubs
sogar ehemalige Krankenschwestern Schutzmasken nähen. Diese seien
allerdings nur für den normalen Betrieb. Bei Umgang mit infektiösen
Patienten müsse man auf höherwertige sogenannte FFP2-Masken
zurückgreifen, diese fehlten derzeit überall. Nach Angaben von Marx
deutet sich hier aber inzwischen ein Ende der Knappheit an, weil in
China die Produktion langsam wieder anlaufe.

Die Umstellung der Kliniken auf die erwartete Krisenlage hat nach
Angaben der Verbände schwere wirtschaftliche Folgen. «Wir erleiden
schon jetzt finanzielle Schäden, weil wir Operationen
heruntergefahren und Betten freigemacht haben», sagte Janssen. «Wir
haben einen Fallrückgang von 24 Prozent. Wir fahren runter, damit wir
uns wappnen. Das wird gigantische finanzielle Ausfälle zur Folge
haben. Diese sind trotz aller Zusagen nicht durch die anstehende
Gesetzgebung gedeckt.»

Marx forderte zusätzliche Gelder. «Deutschland kann sich jetzt auf
die Intensivmedizin verlassen! Dann muss sich die Intensivmedizin
auch auf Deutschland verlassen können! Wir riskieren im Moment unser
Leben.» Das müsse jedem Politiker bewusst sein.