Sprunghafter Anstieg der Corona-Infizierten - Polizei ahndet Verstöße

Die Zahl der Corona-Infizierten macht in Hamburg einen großen Sprung
nach oben. Hintergrund soll ein Softwarefehler sein. Die meisten
Hamburger halten sich an die Anordnungen der Behörden, aber es gibt
bereits gut 50 Anzeigen wegen Verstößen.

Hamburg (dpa/lno) - Der Anstieg der bestätigten Corona-Infizierten
hat sich in Hamburg innerhalb eines Tages mehr als verdoppelt. Am
Montag hatte die Gesundheitsbehörde 102 neue Fälle bekannt gegeben,
am Dienstag 248. Die Gesamtzahl der Infizierten stieg auf 1237.
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) erklärte den
starken Anstieg mit einem Softwareproblem. Tatsächlich seien es in
den vergangenen vier Tagen jeweils rund 150 Neuinfizierte gewesen.

Am Wochenende habe es ein Problem mit der bundesweiten Datenaufnahme
in eine Software des Robert-Koch-Instituts gegeben. Das sei
inzwischen behoben. Am Montag seien die Zahlen der Gesundheitsämter
dann alle aufgenommen worden. Als weitere Gründe für den hohen
Anstieg nannte die Senatorin die große Zahl der Urlaubsrückkehrer in
Hamburg und viele Menschen, die Kontakt zu den Kranken hatten.

Von den Infizierten sind 72 in stationärer Behandlung, 18 befinden
sich auf einer Intensivstation. Am Vortag waren 55 Personen in
stationärer Behandlung, davon 14 auf einer Intensivstation. Hinzu
kommen zurzeit vier weitere Intensivpatienten von außerhalb Hamburgs.
Die Hamburger Krankenhäuser verfügen über 640 Intensivbetten mit
Beatmungsgeräten. Diese Kapazitäten könnten nach Angaben der
Senatorin verdoppelt werden, sofern die Geräte dafür vorhanden sind.

Erstmals wurde ein Strafgefangener im geschlossenen Vollzug positiv
getestet. Es handele sich um einen 34-jährigen Insassen der
Sozialtherapeutischen Anstalt in Fuhlsbüttel, sagte Justizsenator
Till Steffen (Grüne). Der Mann habe lediglich leichte Symptome und
sei in der Einrichtung isoliert worden. Am Montag war ein erster Fall
im Hamburger Strafvollzug bekanntgeworden. Der 30-Jähriger Insasse
der JVA Glasmoor war aber im offenen Vollzug, kann sich also auch
außerhalb der Anstalt infiziert haben.

Unter den Justizbediensteten der Stadt gibt es Steffen zufolge
mittlerweile drei positiv auf das Virus getestete Mitarbeiter. In 196
Fällen befänden sich Justizbedienstete derzeit in häuslicher
Quarantäne.

Rund 50 verurteilte Straftäter müssen ihre Haft vorerst nicht
antreten. Die Ladung zum Haftantritt werde für drei Monate
ausgesetzt, sagte der Justizsenator. Dies gelte nur für Menschen, die
wegen Betrugs- oder Eigentumsdelikten zu maximal drei Jahren
Gefängnis verurteilt wurden. Sexualstraftäter und Verurteilte im
Zusammenhang mit organisierter Kriminalität müssten ihre Haftstrafen
antreten. Auch wer bereits in Untersuchungshaft gesessen habe, müsse
hinter Gittern bleiben.

Die sich ausbreitende Pandemie hat nach Angaben von Hamburgs
Innensenator Andy Grote (SPD) auch Auswirkungen auf die Kriminalität.
«Wir stellen fest, dass es eine neue Corona-Kriminalität gibt», sagte

Grote. So würden Betrüger sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamts
ausgeben. «Wir haben auch falsche Polizisten, die sich mit einer
Corona-Erläuterung Zutritt zu Wohnungen verschaffen wollen.» Grote
rief die Bürger auf, «sehr, sehr vorsichtig» zu sein. Bei anderen
Delikten sei hingegen ein Rückgang der Fälle zu beobachten.

Hinsichtlich der Einhaltung der Kontakteinschränkungen zur Eindämmung
der Pandemie seien die Übertretungen «sehr überschaubar». Nach
Angaben von Justizsenator Steffen leitete die Polizei wegen Verstößen
gegen das Infektionsschutzgesetz bis Dienstagmorgen mehr als 50
Strafverfahren ein und übergab sie an die Staatsanwaltschaft. Diese
habe die Möglichkeit, Strafbefehle beim Amtsgericht zu beantragen.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) dankte den Hamburgern dafür,
dass sie sich weitestgehend an die Ausgangsbeschränkungen hielten. Er
fügte aber hinzu: «Da wo es nicht geschieht, schreitet die Polizei
ein.»

Auf die Kriminalstatistik wirken sich die verordneten Beschränkungen
positiv aus, wie ein Polizeisprecher sagte. «Grundsätzlich haben wir
allgemein einen Rückgang bei den Delikten.» Auch die Zahlen wegen
häuslicher Gewalt seien nicht gestiegen. Selbst Einbrüche in
Ladengeschäfte scheinen für Einbrecher, die sich sonst auf Wohnhäuser

konzentriert haben, kein Thema zu sein.

Tschentscher äußerte sich kritisch zum Vorgehen von
Schleswig-Holstein gegen Hamburger, die im nördlichen Nachbarland
einen Zweitwohnsitz haben. «Das war eine sehr unfreundliche Episode»,
sagte der Bürgermeister. Er habe am Montag mit Ministerpräsident
Daniel Günther (CDU) telefoniert und ihm berichtet, die
Aufforderungen zur Abreise in Hamburg wahrgenommen würden. «Er hat
gesehen, dass das etwas ist, was das freundschaftliche Verhältnis in
der Metropolregion durchaus belastet.»

Die Versorgungslage der Krankenhäuser bessert sich nur langsam. Es
fehle weiter an Schutzkleidung für Ärzte und Krankenschwestern. «Im
stationären Bereich warten wir dringend auf weitere Lieferungen»,
sagte Prüfer-Storcks. Sie rief Firmen außerhalb des Gesundheitswesens
auf, möglicherweise vorhandene Schutzkleidung zur Verfügung zu
stellen.