Landesregierung legt Milliarden-Schutzfonds für Wirtschaft in MV auf

Die Herausforderungen, die das Coronavirus an Politik, Wirtschaft und
Bevölkerung stellt, sind beispiellos. Beispiellos ist auch das
Hilfsprogramm, das die Landesregierung in Schwerin verabschiedet hat.
Um der Wirtschaft zu helfen macht das Land erstmals wieder Schulden.

Schwerin (dpa/mv) - Von der Corona-Krise gezeichnete Unternehmen in
Mecklenburg-Vorpommern bekommen rasche Hilfe vom Land. Die
Landesregierung beschloss am Dienstag einen Schutzfonds im Umfang von
1,1 Milliarden Euro, mit dem existenzgefährdete Firmen über die
nächsten Monate hinweggerettet werden sollen. Geplant sind direkte
Staatshilfen, deren Höhe von der Firmengröße abhängen, Kredite,
Bürgschaften und in Einzelfällen auch staatliche Firmenbeteiligungen.

«Wir haben uns auf ein beispielloses Hilfsprogramm geeinigt, das
größte, das wir jemals im Land entschieden haben», sagte
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nach der Beratung des
Kabinetts in Schwerin. Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) sprach
vom größten Rettungsschirm in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns.
Unternehmen, Gewerkschaften und Opposition begrüßten die
Entscheidung.

Dem Land drohten infolge der absehbaren Rezession Steuerausfälle in
Höhe von einer Milliarde Euro, die mit Hilfe der angesparten
Rücklagen abgepuffert werden sollen, sagte Schwesig. Zur Finanzierung
des Hilfsprogramms für die Wirtschaft muss das Land daher erstmals
seit 15 Jahren wieder Schulden machen. «Der Schutzfonds für
Mecklenburg-Vorpommern ist angesichts der dramatischen Lage in
Deutschland und auch bei uns im Land notwendig», sagte Schwesig.

In Krisenzeiten sei es möglich, die Schuldenbremse aufzuheben, die
die Aufnahme neuer Kredite eigentlich verbiete, sagte Schwesig. Es
gehe darum, der Wirtschaft und den Menschen im Land über eine
schwierige Zeit zu helfen, Unternehmen und damit Arbeitsplätze zu
erhalten. «Zu den Sorgen um die eigene Gesundheit kommen die Sorgen
um die eigene Existenz dazu», machte Schwesig die Bedeutung des
Hilfsprogramms deutlich.

Nach ihren Angaben ist zur Finanzierung aller Maßnahmen ein
Nachtragshaushalt erforderlich, mit einer Neuverschuldung von 700
Millionen Euro. Die im Doppelhaushalt für 2020 und 2021 geplanten
Ausgaben sollen nicht angetastet, die Milliardeninvestitionen nicht
zurückgefahren werden.

Laut Schwesig streckt das Land die vom Bund angekündigten Hilfen für
Kleinst- und Kleinunternehmen in wirtschaftlicher Schieflage vor.
Diese könnten schon von Mittwoch an beim Landesförderinstitut
Soforthilfen beantragen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. So
können Firmen mit ein bis fünf Beschäftigten bis zu 9000 Euro,
Unternehmen mit sechs bis zehn Arbeitsplätzen 15 000 Euro bekommen.
125 Millionen Euro stellt das Land für größere Firmen bereit. Die
einmaligen Zuwendungen betragen 25 000 Euro bei 11 bis 24
Arbeitsplätzen und bis zu 40 000 Euro bei 25 bis 49 Beschäftigten.

Zudem stehen für alle Unternehmen 200 Millionen Euro bereit, die für
zinsfreie oder niedrig verzinste Überbrückungsdarlehen eingesetzt
werden sollen. Der Bürgschaftsrahmen des Landes werde um 400
Millionen auf 1,6 Milliarden Euro erhöht. Weitere 100 Millionen Euro
sind eingeplant für zeitweilige Landesbeteiligungen an Unternehmen,
um diese zu stabilisieren.

Der Schutzfonds umfasst zudem 70 Millionen Euro für
Lohnfortzahlungen, die sich aus Entschädigungsansprüchen nach dem
Infektionsschutzgesetz ableiten lassen. 60 Millionen Euro sollen
zusätzlich an Krankenhäuser gehen, die damit etwa weitere
Intensivbetten, Beatmungsgeräte oder Isolationseinrichtungen
anschaffen können. 25 Millionen Euro sind vorgesehen, um
Kultureinrichtungen, Künstler, Kulturschaffende und ehrenamtlich
Engagierte zu unterstützen. Kultureinrichtungen müssen zudem nicht
mit Kürzungen rechnen, wenn sei wegen der Corona-Krise vereinbarte
Leistungen nicht erbringen können.

Die Vorsitzende der oppositionellen Linksfraktion, Simone Oldenburg,
begrüßte das Milliarden-Paket. «Es ist richtig und wichtig, Geld zur

Verfügung zu stellen, um vor allem den kleinen und Kleinstunternehmen
durch schwieriges Fahrwasser zu helfen. Unternehmerinnen und
Unternehmer sowie die Beschäftigten müssen sich darauf verlassen
können, dass ihre Betriebe nicht krachen gehen und Tausende Menschen
ihre Arbeit verlieren», betonte sie.

DGB Nord-Chef Uwe Polkaehn hob die zusätzlichen Hilfen des Landes für
Unternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten hervor, die über die
Bundesförderung hinausgingen. «Wir fordern ausdrücklich die kleinen
Unternehmen auf, die mit staatlichen Zuschüssen und Kurzarbeit bisher
keine Erfahrung haben, beide Hilfen offensiv in Anspruch zu nehmen,
um für die Zeit nach der Krise gewappnet zu sein», erklärte Polkaehn.


Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen mit dem neuartigen
Coronavirus ist in Mecklenburg-Vorpommern bis Dienstagnachmittag auf
219 gestiegen. Nach Mitteilung des Landesamts für Gesundheit und
Soziales (Lagus) in Rostock waren dies 18 mehr als am Montag. 14
Patienten mussten oder müssen noch im Krankenhaus behandelt werden,
drei davon auf einer Intensivstation. Der Rostocker Tropenmediziner
Emil Reisinger geht davon aus, dass im Nordosten rund 2000 weitere
infizierte Menschen leben. Diese hätten entweder noch keine Symptome
entwickelt oder bei ihnen sei die Infektion sehr leicht verlaufen.