Leben mit der Corona-Krise - Onlinetrainings und wachsame Anwohner

Berlin (dpa) - Weltweit bleiben Millionen Menschen weitgehend daheim
- und weltweit reagieren Städte, ob mit Sex-Tipps, verstärkten
Kontrollen oder Appellen an besorgte Bürger. Aber auch private Hilfe
prägt das Leben mit der Corona-Krise.

SOZIOLOGE ROSA: SHUTDOWN OHNE VERGLEICH

Der Shutdown weiter Teile des gesellschaftlichen Lebens wegen der
Corona-Pandemie ist nach Einschätzung des Jenaer Soziologen Hartmut
Rosa historisch ohne Vergleich. «So eine rasende Entschleunigung ist
ganz und gar einzigartig», sagte er im Interview der Deutschen
Presse-Agentur. Zugleich zeige das Virus der modernen Gesellschaft
Grenzen auf. «Wir wollen die Kontrolle behalten. Und wir stellen
gerade fest, dass wir dabei an Grenzen stoßen.» Die
«Super-Verlangsamung des Lebens» biete aber auch Möglichkeiten «noc
h
einmal anders mit sich, anderen und der Welt in Kontakt zu treten».
Aktuelle Beispiele seien Hilfen unter Nachbarn oder das Musizieren
auf Balkonen trotz Quarantäne und Isolation.

HAMBURGER HÄNGEN ARTIKEL FÜR OBDACHLOSE AUF

Mit einem sogenannten Gabenzaun wollen Menschen in Hamburg
Obdachlosen helfen. «Liebe Nachbarn, aufgrund der Corona-Krise
erleben wir derzeit eine schwierige Situation», heißt es in einem
Schreiben an dem Zaun im Stadtteil Eimsbüttel. «Doch noch nie war es
wichtiger, dass wir einander helfen.» Obdachlose Menschen kämen nun
noch schwerer an Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und
Ähnliches. Wer möchte, könne diese Artikel nun in eine Plastiktüte

packen und an den Zaun hängen. Eine ähnliche Aktion gibt es seit
Jahren am Hamburger Hauptbahnhof.

UMZUG OHNE PRIVATE HELFER

Die Corona-Krise stellt auch Menschen mit neuen Wohnungen vor
Probleme. Ein Umzug mit der Hilfe des Freundeskreises fällt derzeit
aus, wie die Polizei am Montag schrieb. «Einem Umzug durch ein
Unternehmen, das sich an die Hygiene-Standards halten muss, steht
nichts entgegen», betonte die Polizei. «Ein privater Umzug ist nur
mit Helfenden aus Ihrem häuslichen Umfeld erlaubt.» Das heißt: die
Familie und die Wohngemeinschaft darf mit anpacken. Andere Freunde
oder Bekannte aber nicht. Stattdessen bleibt nur der Weg zu den nicht
immer ganz billigen Firmen.

KOSTENLOSE ONLINEHILFE GEGEN BEZIEHUNGSKNATSCH

Um Beziehungsstress in Corona-Zeiten zu minimieren, bietet die
Universität Zürich ein kostenloses Online-Training an. «Ziel ist es,

Paarbeziehungen in Zeiten von Stress zu stärken und die gegenseitige
Unterstützung zu stärken», teilte die Universität am Dienstag mit.

Das Programm entwickelte der Psychologe und Verhaltenstherapeut Guy
Bodenmann. Kurze Videos zeigen, wie Paare gut kommunizieren, Probleme
lösen und sich gegenseitig unterstützen können.

NEW YORK RÄT ZU «SICHERSTEM SEXPARTNER»

Die Stadt New York hat den Bewohnern der Metropole Tipps für sicheren
Sex in Zeiten von Corona gegeben. Was schützt am besten?
Masturbation, wie aus einer Mitteilung der Stadt hervorging. «Sie
sind Ihr sicherster Sexpartner», hieß es dort. Das Wort «Sie» war
unterstrichen. «Masturbation verbreitet Covid-19 nicht weiter,
insbesondere wenn Sie Ihre Hände (und jedes Sexspielzeug) mit Seife
und Wasser mindestens 20 Sekunden lang vor und nach dem Sex waschen.»
Die Stadt nannte noch viele weitere Schutzmaßnahmen, um sich beim Sex
nicht anzustecken. Seit das Virus erstmals in Manhattan nachgewiesen
wurde, hat New York - die Stadt, die normalerweise sprichwörtlich
niemals schläft - das öffentliche Leben weitgehend runtergefahren.

LIVE-SHOWS AUS WOHNZIMMERN STATT FERNSEHSTUDIOS

Vor einer für Unterhaltungsshows ungewohnt tristen Kulisse haben sich
Thomas Gottschalk, Günther Jauch und Oliver Pocher am Montagabend
erstmals aus ihrer «Quarantäne-WG» gemeldet. In der live
ausgestrahlten RTL-Sendung schaltete sich das Show-Trio von zu Hause
aus per Videoschalte zusammen und besprach die aktuelle Corona-Krise.
Knapp zwei Stunden vorher hatte Sat.1 vorgelegt: In «Luke, allein
zuhaus» sendete Luke Mockridge erstmals live aus einem nachgebauten
Wohnzimmer. In Video- und Telefonschalten sprach der Comedian mit
seinen Gästen.

MEXIKO: AUTODIEBSTÄHLE IN KRISE VERHINDERN

In Zeiten des Coronavirus bleiben Autos häufiger lange stehen -
Mexiko-Stadt will daher den Kampf gegen den Autodiebstahl verstärken.
In einigen Stadtteilen werde die Überwachung erhöht, teilte die
Bürgermeisterin Claudia Sheinbaum am Montag mit. Es gebe nun mehr
geparkte Autos, sagte sie zur Begründung. Der Großraum Mexiko-Stadt
ist mit 22 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt
Nordamerikas. Bisher wurden dort in diesem Jahr der offiziellen
Statistik zufolge 26 Autos pro Tag gestohlen.

WACHSAME ANWOHNER - NOTRUF NICHT ÜBERLASTEN

Die zahlreichen Hinweise von Bürgern zu möglichen Verstößen gegen
Corona-Ausgangsbeschränkungen stellen auch den Polizeinotruf vor
Herausforderungen. So berichtet die Münchner Polizei von vielen
Anrufen zu Baustellen auf den Straßen, bei denen sich Bürger
beschwerten, dass dort weiter gearbeitet werde. Solche gewerblichen
Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich seien aber ausdrücklich
weiterhin erlaubt, betonte Polizeisprecher Werner Kraus am Dienstag.
Es sei wichtig, dass der Notruf in diesen Zeiten nicht zusätzlich
belastet werde, bat er um Mithilfe der Bürger.