Trotz Schulden: Keine Wohnungen geräumt, weiter Strom und Wasser

Wer über längere Zeit seine Rechnungen nicht begleicht, muss
normalerweise mit Konsequenzen rechnen. Jetzt gibt es Aufschub für
säumige Zahler, wie der Senat am Dienstag beschlossen hat.

Berlin (dpa/bb) - Wegen der Coronakrise sollen in Berlin keine
Wohnungen mehr geräumt werden. Auch Sperren wegen nicht gezahlter
Rechnungen für Gas, Wasser oder Strom soll es nicht mehr geben, hat
der Senat am Dienstag beschlossen. Wie mit Vollstreckungen
umgeganngen wird, entscheiden laut Justizverwaltung die Amtsgerichte.
Sie können entweder Empfehlungen geben oder Anordnungen für ihre
Gerichtsvollzieher erlassen.

Der Senat kündigte an, er werde bei den städtischen
Wohnungsbaugesellschaften und bei der berlinovo dafür Sorge tragen,
dass diese bei Mietrückständen kulante Lösungen vereinbarten, keine
Kündigungen wegen Zahlungsrückständen aussprächen und auch keine
Räumungen bewohnter Wohnungen durchführten. Das gelte auch für
Gewerberäume. Gleichzeitig appelliert der Senat an die privaten
Berliner Vermieter, in gleicher Weise zu verfahren.

Der Senat werde alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die
Durchsetzung von Räumungstiteln für Wohnraum bis auf Weiteres
auszusetzen, teilte er nach seiner Sitzung am Dienstag mit. Laut
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist es in der
Coronakrise, in der sich die Menschen überwiegend in ihren Wohnungen
aufhalten sollen, wichtig, den Mietern Sicherheit zu geben.
Denjenigen, die durch die Corona-Krise ihre Miete nicht mehr bezahlen
könnten, müsse geholfen werden.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erläuterte, wenn Menschen in der
jetzigen Krisensituation auf der Straße landen würden oder ohne
Heizung leben müssten, wäre das eine unzumutbare Härte. Zudem wären

Räumungen oder Sperrungen für Gerichtsvollzieher aus gesundheitlichen
Gründen schwierig. Sie müssten den persönlichen Kontakt zu
Betroffenen herstellen.

Das Amtsgericht Spandau hat laut Justizverwaltung beispielsweise den
Gerichtsvollziehern in seinem Bereich empfohlen, nicht in den
Außendienst zu gehen. Die Sperrung von Zählern sowie Räumungen sollen

demnach vorerst bis zum 19. April nicht umgesetzt werden. Laut
Amtsgericht Köpenick wurden bereits festgesetzte Termine zunächst
abgesagt.

Die Amtsgerichte Charlottenburg, Mitte und Pankow/Weißensee haben die
Aussetzung von Terminen angeordnet. Vollstreckungen wären derzeit
eine «besondere unbillige Härte» für Schuldner. Auch die Amtsgerich
te
Neukölln und Schöneberg sagten Räumungstermine ab.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat laut Justizverwaltung keine
Anordnung erlassen, aber die Gerichtsvollzieher gebeten,
Vollstreckungstermine so weit wie möglich aufzuheben. Das Amtsgericht
Wedding ordnete an, bis zunächst 17. April Zwangsräumungen und
Zählersperrungen auszusetzen.

Das Amtsgericht Lichtenberg will laut Angaben nur solche Fälle
bearbeiten, in denen Wohnungen seit Monaten leer stehen. Zu
Zählersperrungen hieß es, die Gasag habe darum gebeten, bis zum 20.
April keine Termine zu vereinbaren.

Laut Justizverwaltung gab es im vergangenen Jahr genau 4299 Aufträge
für die Räumung von Wohnungen. Die Zahlen gehen demnach seit Jahren
zurück. 2015 ergingen demnach noch 6257 solcher Aufträge.