Krisenfester als 2008? Das US-Finanzsystem im Corona-Härtetest Von Hannes Breustedt, dpa

Für die US-Banken ist die Corona-Pandemie die erste richtige
Belastungsprobe seit der großen Finanzkrise. Nach Boomjahren mit
Rekordgewinnen sollten die Geldhäuser eigentlich gut gerüstet sein.
Doch an den Finanzmärkten ist die Skepsis trotzdem groß.

New York (dpa) - Dass erfahrene Finanzprofis live auf Sendung
dermaßen um Fassung ringen, kommt auch in Zeiten großer Krisen nicht
oft vor. «Die Hölle wird kommen», warnte US-Großinvestor Bill Ackma
n
jüngst im Finanzsender CNBC. Firmen sollten sofort ihre Kreditlinien
ausschöpfen, so der eindringliche Appell des Hedgefondsmanagers.
«Hotels und Restaurants werden zuerst pleitegehen, Boeing wird nicht
ohne staatliche Rettung überleben.» Ohne entschiedenes Handeln der
Regierung werde Amerika - «wie wir es kennen» - nicht fortbestehen.

Ackman schien mit den Tränen zu kämpfen, als er über seinen
gesundheitlich angeschlagenen Vater sprach. Der Auftritt des
Milliardärs zeigt, wie sehr die Corona-Pandemie selbst abgebrühten
Spekulanten zusetzt. Die Furcht, dass die USA den Stillstand ihrer
Wirtschaft mit einer längeren Rezession bezahlen, ist groß. Selbst
ein kurzer Schock wäre schmerzhaft. Goldman Sachs rechnet mit einem
Wirtschaftseinbruch um 30 Prozent im zweiten Quartal. Notenbanker
James Bullard hält eine Arbeitslosenquote von 30 Prozent für möglich.


Während es bei den staatlichen Nothilfen für eine Reihe von besonders
stark von der Corona-Krise betroffenen Wirtschaftszweigen wie der
Luftfahrtindustrie, dem Gastgewerbe oder dem Tourismus nur noch um
die Höhe und Bedingungen zu gehen scheint, zählen die Banken diesmal
nicht zu den größten Problemfällen. Das gilt zumindest auf den ersten

Blick. Anders als beim Häusermarkt-Kollaps und Lehman-Crash im Jahr
2008 geht die Krise nicht vom Finanzsektor aus. Doch wenn die Banken
mitgerissen werden, würde sich die Lage drastisch verschärfen.

Denn die Geldhäuser - besonders die großen Geschäftsbanken wie
JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup oder Wells Fargo - stellen
dem Rest der Wirtschaft überlebenswichtige Kredite zur Verfügung. Die
Zentralbank Federal Reserve (Fed) hat die Leitzinsen bereits bis an
die Nulllinie gesenkt und riesige Notfallprogramme aufgelegt, um die
nötige Liquidität ins Finanzsystem zu pumpen. Jetzt kommt es auf die
Kreditinstitute an. Für die Branche ist dies eine Chance, mal etwas
Gutes zu tun. «Banken waren 2008 und 2009 Teil des Problems, nun sind
sie Teil der Lösung», meint Analyst Mike Mayo von Wells Fargo.

Diese Sichtweise wird von Anlegern bislang aber offenbar nicht
geteilt. Im großen Börsenausverkauf, der seit der globalen
Ausbreitung des neuartigen Coronavirus im Gange ist, zählen
Finanzaktien klar zu den Verlierern. Nach all den Stresstests und
Kapitalvorschriften, die dem Finanzsektor im Zuge der großen Krise
von 2008 auferlegt wurden, stehen die Banken nun vor ihrer ersten
ernsthaften Belastungsprobe. Es stellt sich die Frage: Was haben die
Maßnahmen gebracht - wie krisenfest ist das Finanzsystem wirklich?

Geht es nach den Finanzaufsehern oder den Banken selbst, ist der
Sektor weitaus besser in Schuss als vor gut zehn Jahren. Beim
jüngsten Stresstest kam die Fed im vergangenen Jahr zu dem Schluss,
dass die größten US-Banken über eine starke Kapitalausstattung
verfügen, die auch einer heftigen Rezession standhalten würde. «Die
Ergebnisse bestätigen, dass unser Finanzsystem belastbar ist»,
erklärte Notenbanker Randal Quarles. Analysten meldeten sich nach dem
jüngsten Finanzaktien-Absturz rasch zu Wort - Investoren würden
überreagieren, die Situation sei nicht mit 2008 vergleichbar.

Fest steht jedoch auch: Große Kreditrisiken gibt es auch diesmal,
gerade was riskantere Unternehmensfinanzierungen angeht. Wegen der
sehr niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre haben sich viele Firmen
hoch verschuldet, das könnte sich in einem drastischen Krisenszenario
rächen. Sollte der Finanzsektor erneut ins Wanken geraten, bräche
eine entscheidende Versorgungsstütze der Realwirtschaft weg.
Angesichts der Rekordgewinne und des vielen Geldes, das die US-Banken
in den Boomjahren an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben, wäre eine
erneute Rettung kaum vermittelbar. Das gilt aber eigentlich auch für
viele andere US-Konzerne wie etwa die Fluggesellschaften oder Boeing.