Schulen eine Woche zu - Wie es aus Sicht der Lehrerverbände läuft

Seit einer Woche haben die meisten Schulen in Deutschland
geschlossen. Wie kommen Lehrer und Schüler damit klar? Eine
Zwischenbilanz.

Berlin (dpa) - Es sind außergewöhnliche Zeiten für Millionen
Schülerinnen und Schüler und Hunderttausende Lehrkräfte. Seit einer
Woche heißt es improvisieren, damit der Schulbetrieb in Deutschland
auch in der Corona-Krise nicht zum Erliegen kommt. Die erste Bilanz
klingt positiv. Die Pädagogenverbände weisen aber auch auf Probleme
hin, die das Fernlernen mit sich bringt.

RUMPELT NOCH - ABER LÄUFT

«An der einen oder anderen Stelle rumpelt es noch ein bisschen, aber
im Großen und Ganzen ist die letzte Woche richtig gut gelaufen», sagt
die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und
rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am
Montag im Deutschlandfunk. Es sei beeindruckend, wie Lehrerinnen und
Lehrer und Schülerinnen und Schüler in der ersten Woche der
Schulschließungen mitgearbeitet hätten.

«BIS NACH OSTERN KRIEGEN WIR DAS HIN»

Der Austausch zwischen Eltern, Lehrern und Schülern habe sich
eingespielt, auch an Schulen, die digital nicht so gut ausgestattet
seien, bilanziert Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen
Lehrerverbandes und selbst Leiter eines Gymnasiums im
niederbayerischen Deggendorf. Probleme gebe es zum Teil mit der
technischen Ausstattung zu Hause. In manchen Familien existiere kein
Drucker, um Arbeitsblätter auszudrucken, manchmal auch nur ein
Computer, den auch die Eltern selbst fürs Homeoffice bräuchten.

Eine besondere Herausforderung seien Schüler, deren Eltern nicht zu
Hause seien oder die wegen fehlender Deutschkenntnisse nicht helfen
könnten. «Da muss man aufpassen, dass die nicht abgehängt werden.
(...) Bis nach Ostern kriegen wir das hin. Wenn Schulschließungen
länger andauern, wird es ganz andere Notfallpläne brauchen.»

MANCHERORTS FAST AUFBRUCHSTIMMUNG

Vielerorts hätten die Schließungen auch bei eher
«digitalisierungskritischen Lehrkräften» zu einer positiveren
Bewertung der Möglichkeiten von Email, Videobotschaften oder
Lernplattformen geführt, berichtet Andreas Fichtl, der
stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft
(KEG). Es herrsche mancherorts sogar so etwas wie eine
Aufbruchstimmung. Schulen und Lehrkräfte böten feste
Telefonsprechstunden oder Klassenchats zu festen Zeiten an.
Eingescannte und digitalisierte Arbeiten würden korrigiert. Die
Mehrheit der Schülerinnen und Schüler arbeite durchaus ernsthaft an
den erteilten Aufträgen. «Dies hängt jedoch auch sehr stark von der
jeweiligen familiären Situation ab.»

LEHRER FAHREN AUCH «ANALOGE LERNPAKETE» AUS

An den rund 15 000 Grundschulen in Deutschland mit 2,8 Millionen
Grundschülern wurden «Maßnahmen zum Abmildern der Folgen des
Unterrichtsausfalls ohne größere Schwierigkeiten in die Wege
geleitet», sagt die Vorsitzende des Grundschulverbandes (GSV) Maresi
Lassek. Viele Schülerinnen und Schüler hätten vor der Schließung
Aufgabenpakete mitbekommen. Nachschub gibt es per Email an die
Eltern. Lehrer würden auch «analoge Lernpakete» ausfahren, wenn der
Kontakt über Email nicht klappt. Die erste Woche sei überwiegend
ruhig abgelaufen. Es gebe ein großes Engagement von Lehrkräften und
Schulleitungen und Unterstützung von den Eltern. Der
Grundschulverband äußert allerdings auch Befürchtungen, dass
Unterschiede zwischen Kindern größer werden könnten, etwa wenn Eltern

zum Beispiel nicht auf Emails der Lehrer reagierten.

DIGITALER UNTERRICHT FUNKTIONIERT, ABER ...

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR),
Jürgen Böhm, zeigt sich «sehr zuversichtlich». Die Schulen nutzten

jetzt verschiedenste Plattformen, um mit den Schülerinnen und
Schülern zu kommunizieren, diese mit Unterrichtsmaterial zu vorsorgen
und sie umfassend auf die Realschulabschlussprüfungen vorzubereiten.
Insgesamt funktioniere der digitale Unterricht sehr gut. «Allerdings
zeigt und bestätigt sich jetzt in einzelnen Bundesländern, dass die
Infrastruktur immer noch nicht richtig vorbereitet ist.»

«PASSENDER FERNUNTERRICHT» FÜR GYMNASIASTEN

«In den Gymnasien klappt es - angesichts der schwierigen und
unterschiedlichen Ausgangslage - relativ gut», sagt die Vorsitzende
des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing. Die Mehrheit
der Schulen sei zwar nicht ausreichend digitalisiert, aber die
Lehrkräfte hätten sich, jeweils auf dem technischen Niveau, auf dem
das möglich sei, «von jetzt auf gleich aufgemacht, passenden
«Fernunterricht» zu erteilen.» Lin-Klitzing sprach von großer
Dynamik, Kreativität und großem Engagement der Lehrkräfte.

Aufgaben werden oft per Email übermittelt. Vor allem höhere Klassen
nutzen - dort wo die Infrastruktur vorhanden ist - aber auch Schul-
oder Elternplattformen, auf denen kommuniziert wird, Dateien
hochgeladen und Aufgaben verteilt werden.

BERUFSSCHULEN

Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung hatte schon
vergangene Woche nach wenigen Tagen bilanziert: «Je nach Möglichkeit
und technischer Ausstattung werden Lernpakete per Post versandt,
Schülerinnen und Schüler per Mail versorgt oder der Unterricht auf
Digitalplattformen verlegt.» Die bundesweit 125 000
Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer hätten es geschafft, mit
Kreativität und Engagement quasi von jetzt auf gleich einen
funktionierenden Fernunterricht auf die Beine zu stellen.