Abstand halten im Vollkontakt? Ringer Stäbler und das Coronavirus Von Manuel Schwarz, dpa

Fast alle Sportler trainieren wegen der Corona-Krise individuell. In
Vollkontakt-Sportarten wie dem Ringen ist Sparring aber entscheidend.
Für Weltmeister Stäbler ist die Lage verzwickt: Er hat zwar einen
kuriosen Standortvorteil - dennoch bangt vor allem er um Olympia.

Musberg/München (dpa) - Ein Fünkchen Hoffnung hat Frank Stäbler noc
h.
Vielleicht geschieht ja ein Wunder - und die Olympischen Sommerspiele
finden wie geplant in diesem Sommer in Tokio statt. «So schnell will
ich meinen Traum nicht aufgeben», sagte der beste deutsche Ringer,
der im August in Japan seine große Karriere beenden wollte. Dass
Olympia wegen der Corona-Krise aber verschoben wird, das wird immer
wahrscheinlicher. Mit dem Gedanken freundet sich auch der
Baden-Württemberger langsam an. Ganz sicher ist schon jetzt: Wie in
kaum einer anderen Sportart sind die Ringer im Training eingeschränkt
durch die Vorgaben und Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus.

So wenig zwischenmenschlichen Kontakt wie möglich haben, das ist die
erste Forderung von Virologen, um die Verbreitung von Sars-CoV-2 zu
bremsen. Wie sollen die Mattenkämpfer dann trainieren? Bei einem
Kampf oder Sparring drücken die Athleten fast sechs Minuten permanent
mit Kopf und Oberkörper gegeneinander. Es wird geschwitzt. Im
Bodenkampf ringen die Sportler meist eng umschlungen. «Natürlich
besteht dabei eine große Gefahr der Tröpfcheninfektion», erläuterte

Klaus Johann, Chefmediziner im Deutschen Ringer-Bund. Und mit einer
Schutzmaske für Mund und Nase ringen, das ist unpraktikabel.

Deshalb hat der DRB reagiert und seine Athleten angewiesen, vorläufig
kein Sparring mit anderen Ringern mehr zu machen. «Wir sind dazu
übergegangen, nur noch im allgemeinen athletischen Bereich zu
trainieren, also Laufen, Radfahren, Krafttraining zu betreiben»,
erläuterte Sportdirektor Jannis Zamanduridis. Weil Hallen und
Stützpunkte geschlossen wurden, müssen Athleten daheim trainieren.

Der dreimalige Weltmeister Stäbler hat dabei Glück im Unglück: Wege
n
eines jahrelangen Hallenstreits in seinem Heimatort bezog er jüngst
einen umgebauten Raum auf dem elterlichen Bauernhof in Musberg und
kann dort individuell arbeiten. «Für mich ist das jetzt wie ein
goldener Hühnerstall», erzählte Stäbler der Deutschen Presse-Agentu
r.

Andere Kontaktsportarten treffen die Maßnahmen übrigens etwas weniger
als die Ringer: Bei den Judokas steht nach einem Konditionsblock
aktuell eher aktive Erholung auf dem Trainingsplan, erst Anfang April
sollte wieder normal trainiert werden. Auch bei den Boxern steht
derzeit kein Sparring an.

Solange die Sommerspiele nicht offiziell verschoben sind, will
Stäbler an seinem Trainingszeitplan festhalten. Allerdings erkennt
der 30-Jährige große Probleme. «Mir ist bewusst, dass das mit der
Chancengleichheit und der Doping-Problematik sehr schwierig ist»,
sagte er. Während die deutschen Sportler häuslich isoliert arbeiten,
könnten Athleten anderorts gemeinsam trainieren, befürchtet man im
DRB. In Ländern wie der Türkei oder osteuropäischen und asiatischen
Ringer-Nationen sei es vorstellbar, dass Sportler auf Armeegeländen
unter Quarantänebedingungen normal trainieren, glaubt Zamanduridis.
Zudem finden in der Krise weltweit weniger Dopingtests statt.

Eine Neu-Terminierung von Olympia scheint also allein schon aus
Gründen der Chancengleichheit notwendig. «Wenn sich die Lage zuspitzt
oder genauso schlimm bleibt, dann würde ich für eine Verschiebung
stimmen», sagte Stäbler. Auch wenn das für ihn möglicherweise
«verheerende» Folgen habe: Sollten die Spiele 2021 oder erst 2022
angesetzt werden, ist offen, ob er sich erneut qualifizieren muss -
und ob das dann noch einmal klappt.