NRW setzt auf Kontaktverbote und Milliardenhilfe gegen das Coronavirus

Das Wochenende war der Härtetest: Halten sich die Menschen in der
Corona-Krise an die Kontaktverbote und bleiben zu Hause? Die Behörden
waren überwiegend zufrieden. Dennoch verschärft NRW noch einmal die
Verbote - und hält Milliarden für die Wirtschaft bereit.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Zur Eindämmung des Coronavirus verbietet NRW
nun alle Ansammlungen ab drei Personen in der Öffentlichkeit.
Ausgenommen sind Familien sowie in einem Haushalt lebende Personen -
sie dürfen weiterhin gemeinsam unterwegs sein. Ein komplettes
Ausgangsverbot wie in Bayern gibt es somit nicht. Das Wochenende galt
als letzte «Bewährungsprobe» für die Bevölkerung, durch den Verzi
cht
auf soziale Kontakte die weitere Ausbreitung des Virus zu vermeiden.
Die neuen Kontaktverbote seien dazu da, die Bevölkerung vor den
letzten Unvernünftigen zu schützen, sagte Ministerpräsident Armin
Laschet (CDU).

Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen stieg am Wochenende
weiter. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es am Sonntag
(Stand 11.00 Uhr) in NRW 7361 nachgewiesene Fälle - gut 600 mehr als
am Vortag. 32 Menschen sind bislang am Coronavirus gestorben, ein
Anstieg um 9 innerhalb eines Tages.

Wer das neue Kontaktverbot für Gruppen ab drei Personen missachtet,
dem drohten drastische Bußgelder, warnte Laschet am Sonntag. Es
könnten Strafen bis zu 25 000 Euro verhängt werden. Das Ziel sei:
«Unvernünftige bestrafen - hart und klar.» Als weitere Maßnahmen
schloss die NRW-Landesregierung per Rechtsverordnung alle Restaurants
und Gaststätten. Lediglich einen Lieferservice und den
Außer-Haus-Verkauf dürfen sie fortsetzen. Friseure, Massagesalons und
Tattoo-Studios, bei denen Menschen eng aufeinander treffen, müssen
ebenfalls schließen. Auch Besuche in stationären Pflegeheimen sind
grundsätzlich untersagt - nur unter bestimmten Bedingungen soll es
Ausnahmen geben. Die Maßnahmen gelten in NRW bis zum Ende der
Osterferien am 19. April - und damit länger als in der Vereinbarung
von Bund und Ländern geplant.

Vor dem sonnigen Wochenende hatten die Behörden massiv gewarnt, es
sei die letzte «Bewährungsprobe» für die Bevölkerung, zu Hause zu

bleiben und noch drastischere Einschränkungen zu verhindern.
Vereinzelt hatten Städte wie Köln, Dortmund, Bochum, Leverkusen und
Gelsenkirchen auch verschärfte Regeln für Treffen von Gruppen auf
Plätzen und in Parks erlassen.

Polizei und Ordnungsbehörden waren in einem ersten Fazit am Sonntag
zufrieden. «Die Dortmunder haben verstanden, dass die Situation ernst
ist und reagieren besonnen», sagte etwa der Dortmunder
Polizeipräsident Gregor Lange. Lediglich in drei Fällen habe die
Polizei Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das
Infektionsschutzgesetz stellen müssen.

Auch das als Ausflugsziel beliebte Dreiländereck bei Aachen war bei
dem tollen Frühlingswetter fast verwaist: geschlossene Cafés, keine
Menschentrauben, kein Betrieb - dafür Wanderer und Radfahrer, oft zu
zweit oder in der Familie.

Um die Folgen der Corona-Krise für die Wirtschaft abzufedern, hat die
NRW-Landesregierung am Wochenende ein für das Land beispielloses
Rettungspaket in Höhe von 25 Milliarden Euro beschlossen. «Das ist
das größte Hilfsprogramm seit Bestehen des Landes», sagte Laschet.
Schon am Dienstag soll der Landtag in einer Sondersitzung die
Milliardenhilfen für Unternehmen und Beschäftigte im Schnelldurchlauf
beschließen.

«Mit unserem NRW-Rettungsschirm wollen wir den Zusammenbruch vieler
Firmen vermeiden und viele Arbeitsplätze und ganze Erwerbsbiografien
von Familien retten», sagte NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper
(CDU). Mit dem Programm sollen Bürgschaften, Steuerstundungen sowie
Soforthilfen für Kleinunternehmen und Solo-Selbstständige finanziert
werden. Die Kreditaufnahme soll in Tranchen abhängig von den
benötigten Ausgaben erfolgen. Zugleich machte Lienenkämper klar, dass
weitere Maßnahmen folgen werden. «Niemand weiß, welche
Herausforderungen noch auf uns zukommen.»

Opferverbände und Wissenschaftler sorgen sich unterdessen, dass die
Corona-Krise einen Anstieg der häuslichen Gewalt zur Folge haben
könnten, weil viele Familien im Moment deutlich enger aufeinander
hängen. «Aus Überforderung und Freiheitseinengung kann Aggression
entstehen, und die trifft Schwächere», sagte der Bielefelder
Konfliktforscher Andreas Zick dem «Westfalen-Blatt» (Montag). Nach
Angaben der SPD im Landtag sind zudem fast alle autonomen
Frauenhäuser in NRW voll belegt.

Männer seien in Angst um ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz oder ihre
Zukunft - in dieser Stresssituation könnten sie eher gewalttätig
werden, sagte die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anja
Butschkau. «Aufgrund der angespannten Platzsituation in den
Frauenhäusern gibt es aber keine Möglichkeit, die Frauen aus der
häuslichen Umgebung zu holen.» SPD und Grüne wollen, dass sich der
Landtags-Ausschuss für Gleichstellung und Frauen mit dem Thema
beschäftigt - möglichst schon an diesem Dienstag.