Ansammlungen von mehr als zwei Personen werden bundesweit verboten

Gähnende Leere auf Deutschlands Straßen - und nun verhängt die
Politik bundesweit drastische Maßnahmen im Kampf gegen das
Coronavirus. Eine Ausgangssperre gibt es aber nicht.

Berlin (dpa) - Zur Eindämmung der Corona-Krise werden Ansammlungen
von mehr als zwei Personen in ganz Deutschland verboten. Ausgenommen
werden Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Schließen müssen
alle Restaurants und Friseure. Darauf verständigten sich Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder in einer
Telefonkonferenz am Sonntag. «Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist
nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person
oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet»,
heißt es in dem Beschluss. Diese Maßnahmen sollen für mindestens zwei

Wochen gelten.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)
sagte, eine bundesweite Ausgangssperre sei derzeit nicht das Mittel
der Wahl. «Nach unserer Einschätzung ist nicht das Verlassen der
Wohnung die Gefahr. Die Gefahr ist der enge, unmittelbare soziale
Kontakt.» Bei Verstößen gegen die neuen Regeln könnten Strafen von

bis zu 25 000 Euro verhängt werden. Es gelte eine
«Null-Toleranz-Politik gegen Regelbrecher», sagte Laschet.

In Deutschland waren bis Sonntag mehr als 24 100 Infektionen mit dem
neuen Coronavirus bekannt geworden. Mehr als 90 mit Sars-CoV-2
Infizierte sind bislang bundesweit gestorben. Die neuen strengen
Regeln sollen eine schnelle Ausbreitung verhindern, so dass
insbesondere genügend Intensivbetten in Krankenhäuser für
schwerkranke Infizierte frei bleiben.

Nach dem Beschluss vom Sonntag sind die Menschen in Deutschland
angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der
Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu
reduzieren. In der Öffentlichkeit ist, wo immer möglich, zu anderen
als den Angehörigen aus dem eigenen Hausstand ein Mindestabstand von
mindestens 1,5 Meter einzuhalten.

Eine Ausgangssperre, von der in den vergangenen Tagen immer wieder
die Rede war, verhängt die Politik ausdrücklich nicht.
«Selbstverständlich» weiter möglich bleiben: der Weg zur Arbeit,
zur
Notbetreuung, Einkäufe, Arztbesuche, Teilnahme an
Sitzungen, erforderlichen Terminen und Prüfungen, Hilfe für andere
oder individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft - sowie
andere notwendige Tätigkeiten.

Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, aber auch in
Wohnungen sowie privaten Einrichtungen seien aber inakzeptabel.
«Verstöße gegen die Kontakt-Beschränkungen sollen von den
Ordnungsbehörden und der Polizei überwacht und bei Zuwiderhandlungen
sanktioniert werden.» Eine Höhe der Strafen ist in dem Beschluss
nicht genannt.

Cafés, Restaurants und Kneipen sind fortan bundesweit zu schließen.
«Gastronomiebetriebe werden geschlossen», heißt es in dem Beschluss.

Die Lieferung und das Abholen mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr
zu Hause bleibt erlaubt.

Geschlossen werden müssen Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen,
Tattoo-Studios und ähnliche Dienstleistungsbetriebe für Körperpflege.

In diesem Bereich sei eine körperliche Nähe unabdingbar. Medizinisch
notwendige Behandlungen blieben weiter möglich.

Eine generelle Schließung von Geschäften oder Produktionsstätten ist

nicht vorgesehen. «In allen Betrieben und insbesondere solchen mit
Publikumsverkehr ist es wichtig, die Hygienevorschriften einzuhalten
und wirksame Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Besucher
umzusetzen», so Bund und Länder.

Nach kritischen Stimmen im Zusammenhang mit dem Vorpreschen Bayerns
bei Ausgangsbeschränkungen kündigten Bund und Länder nun enge
Zusammenarbeit an. Weitergehende Regelungen aufgrund von regionalen
Besonderheiten oder epidemiologischen Lagen in den Ländern oder
Landkreisen bleiben demnach aber möglich. Es handele sich zwar um
«sehr einschneidende Maßnahmen». Aber sie seien notwendig und
verhältnismäßig.

Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs betonten: «Wir müssen
alles dafür tun, um einen unkontrollierten Anstieg der Fallzahlen zu
verhindern und unser Gesundheitssystem leistungsfähig zu halten.»

Verdi-Chef Frank Werneke sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir
begrüßen, dass jetzt endlich die Gefährdungen vermindert werden und
hoffentlich bald geordnete Zustände herrschen.» Jetzt müssten vor
allem Handschuhe und Schutzmasken zur Verfügung gestellt werden. «Von
den Arbeitgebern erwarten wir, dass ausreichende Schutzabstände - wo
immer möglich - auch in Büros, Betrieben und Verwaltungen
sichergestellt werden.»

Verschärfte Ausgangsbeschränkungen in den einzelnen Ländern wurden am

Sonntag weitgehend eingehalten. Die Polizei in Bayern verzeichnete
nach eigenen Angaben nur vereinzelte Verstöße gegen die
Ausgangsbeschränkungen. Ähnliches wurde aus anderen Ländern
berichtet.

Etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte sich
gegen Ausgangssperren gewandt, wie er der «Welt am Sonntag» sagte.
«Stellen Sie sich einmal vor, dass Familien mit mehreren Kindern in
engen Wohnungen ohne Balkon und Garten gar nicht mehr an die frische
Luft gehen könnten.»

Bei den Beratungen am Sonntag gab es dem Vernehmen nach heftigen
Streit zwischen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und
NRW-Regierungschef Laschet. Laschet habe Söder demnach massiv
attackiert, weil dieser «ohne Absprache» Ausgangsbeschränkungen für

Bayern verordnet hatte. Söder habe daraufhin damit gedroht, die
Schalte zu verlassen. Dies berichtete auch die «Bild»-Zeitung.

Bayern sei über den Verlauf «irritiert», erfuhr die dpa aus
bayerischen Regierungskreisen. Laschet habe sich bisher in der
Debatte immer sehr zurückgehalten und gezögert, auch als es jüngst um

die Schließung von Schulen und Kindergärten gegangen sei. Man vermute
daher ein anderes Motiv, es gehe Laschet wohl mehr um seine
persönlichen Ambitionen als um die Corona-Krise, hieß es.