Mehr Abstand: Berliner reagieren auf Corona-Pandemie - auch kreativ

In Berliner Supermärkten ist der befürchtete Ansturm von
Hamsterkäufern am Samstag ausgeblieben. Auch das Partyvolk machte
Samstagnacht Pause. Am Sonntag blieben Straßen und Parks leerer.
Lernt die Hauptstadt dazu?

Berlin (dpa/bb) - Wenig los in der Hauptstadt: Immer mehr Berliner
reagieren auf die Corona-Pandemie inzwischen so, wie Wissenschaftler
sich das wünschen - mit Abstand. Straßen und Parks blieben am
Wochenende deutlich leerer. Und die Mehrheit der Menschen draußen
wahrte eine Distanz von ein bis zwei Metern.

Samstagabend und in der Nacht zu Sonntag musste die Polizei erstmals
keine «Corona-Partys» mehr beenden. Mit 20 Anzeigen wegen Verstößen

gegen die Auflagen waren es noch weniger als in den Nächten zuvor. Es
traf nun unter anderem ein Gruppe Hundebesitzer, die sich auf einem
Spielplatz zu nahe gekommen war.

In Mitte fand die Polizei einen DJ, der seine Musik im Internet
streamte. In seinem Lokal feierten aber nur fünf Menschen, die
anderen saßen zu Hause vor dem Bildschirm, berichtete ein Sprecher.
Das war für die Beamten in Ordnung. Die Polizei zeigte am Sonntag
auch tagsüber Präsenz in der Innenstadt. Streifenwagen fuhren auf und
ab.

In Restaurants ist seit Sonntag nur noch ein Abhol-Service erlaubt.
Viele haben daraufhin ganz geschlossen. Sportlich nahmen die
Einschränkungen in vielen Kiezen und Grünanlagen vor allem die
Jogger. An der Wuhle in Kaulsdorf sind gleich mehrere Dutzend
unterwegs, die meisten einzeln.

Solidarität ist dennoch zu spüren. In den Kiezen hängen viele Zetteln

mit Hilfsangeboten aus, auch auf Online-Portalen wie «nebenan.de»
bieten Nachbarn sich gegenseitig Unterstützung an. Am S-Bahnhof
Hermannstraße haben Anwohner einen «Berliner Gabenzaun» für
Obdachlose ins Leben gerufen. Sonntagmittag gab es dort unter anderem
Kleidung, Schuhe und Lebensmittel zu verschenken. In Neukölln und
Wedding sind weitere solcher Gabenzäune geplant.

Das sichtbare öffentliche Leben aber wirkt sonst eingeschränkt. An
der sonst so belebten East-Side-Gallery an der Spree sind am
Sonntagnachmittag kaum noch größere Gruppen zu sehen - selten sind es
mehr als fünf Personen. Erlaubt ist seit Sonntag ein Maximum von 10.

Obwohl Supermärkte nun sonntags öffnen dürfen, bleiben viele
geschlossen - zum Beispiel in Friedenau. Das Personal müsse auch mal
durchatmen, hieß es vom Berliner Handelsverband. Schon jetzt lägen
die Umsätze fast dreimal so hoch wie zur Weihnachtszeit.

In der Köpenicker Bahnhofstraße haben nur noch ein Asia-Imbiss und
eine Dönerbude geöffnet. Und auf dem Waldfriedhof Grünau sitzt eine

Frau im Rollstuhl und mit Mundschutz vor dem Stelenfeld mit Urnen.

Bereits am Samstag wirkte der Kudamm eher leergefegt, es gab kaum
Gedränge auf den beliebten Wochenmärkten und Disziplin in vielen
Supermärkten. Auch Hamsterkäufe schienen nachzulassen: In vielen
Berliner Stadtteilen waren Schlangen vor geöffneten Supermärkten
Ausnahmen. Das Sicherheitspersonal hielt sich im Hintergrund. In
vielen Supermärkten liefen Durchsagen vom Band. Kunden wurden
gebeten, zwei Meter Abstand voneinander zu halten und möglichst per
Karte zu bezahlen. An Kassen forderten Aufkleber auf dem Boden zum
Abstandhalten auf.

Nur in einigen Bau- und Gartenmärkten war Andrang zu spüren. Es gab
Wartezeiten vor dem Eingang, bis die Blumenerde schließlich im
Kofferraum lag. Frühlingsanfang - das heißt noch immer Pflanzzeit.

Und die Berliner nehmen die Lage auch mit Humor. Am Tempelhofer Feld
hat jemand eine ironischen Lebenshilfe-Schriftzug hinterlassen: «Sei
fürsorglich. Triff dich mit dir selbst.» Samt dem Zusatz: «Sei
mutig». Im Mauerpark prangt eine Karikatur der Gollum-Figur aus der
Saga Herr der Ringe: Gollums Schatz ist nun eine blitzweiße Rolle
Klopapier. «Das ist ein ganz normales Phänomen, dass wir uns über das

lustig machen, was uns sehr beschäftigt», sagt Kareen Seidler vom
Deutschen Institut für Humor dazu. Das sei ein Ventil, um Anspannung
und Angst abzulassen.