Italien schließt gesamte nicht lebenswichtige Produktion

Das Sterben in Italien nimmt kein Ende. Das öffentliche Leben ist
sowieso schon komplett zum Erliegen gekommen. Doch angesichts neuer
Rekordwerte bei den Corona-Totenzahlen zieht die Regierung nun alle
Register. Sie fährt die gesamte nicht-strategische Produktion runter.

Rom (dpa) - Italien schließt angesichts immer weiter steigender
Totenzahlen im Zuge der Coronavirus-Pandemie die gesamte nicht
lebensnotwendige Produktion. Davon seien Supermärkte, Banken, Post
und Apotheken ausgenommen, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte am
Samstagabend. «Es ist die schwerste Krise für das Land seit dem
Zweiten Weltkrieg.» Nun werde jede produktive Tätigkeit eingestellt,
«die nicht entscheidend und unerlässlich dafür ist, uns essenzielle
Güter und Dienstleistungen zu garantieren». Diese drastische Maßnahme

in der drittgrößten Volkswirtschaft in der Eurozone soll zunächst bis

3. April gelten.

Das Land hatte am Samstag an nur einem Tag fast 800 Tote vermeldet
und damit so viele wie nie seit dem Ausbruch des Virus im Land.
Bisher starben 4825 Menschen, teilte der Zivilschutz in Rom mit. Das
waren 793 mehr als am Vortag. Besonders stark betroffen ist die
nördliche Region Lombardei, wo das Virus Ende Februar ausgebrochen
war und die Krankenhäuser mittlerweile vor dem Kollaps stehen. Die
wirtschaftlichen Schäden für das hoch verschuldete Land sind jetzt
schon unermesslich.

Italien ist das Land mit den meisten offiziell gemeldeten Toten wegen
des Coronavirus auf der Welt. Die Regierung hatte daher erst am
Freitag die Ausgangssperren verschärft, die seit dem 10. März
landesweit gelten. Allerdings forderten Regionalpolitiker im Norden
weitere Maßnahmen, auch weil sich einige Menschen immer noch nicht an
die Auflagen halten. In der Lombardei war der Ausbruch vor einem
Monat bemerkt worden. Bisher waren zum Beispiel viele Fabriken und
Büros noch geöffnet, in die die Menschen zur Arbeit gingen. Dort wo
möglich, arbeiteten allerdings schon viele im Homeoffice. Auch waren
bisher noch Tabakläden geöffnet.

Die Zahl der Toten ist in Italien im Vergleich zu den offiziell
gemeldeten Infizierten auffällig hoch. Sie stieg auf 53 578 Menschen,
das waren wieder tausende mehr als am Vortag. In Deutschland gibt es
bisher insgesamt rund 70 Tote bei mehr als 21 000 Infizierten.

Unklar ist die genaue Ursache für die hohe Sterberate. Es könnte
mehrere Gründe geben: Italien hat eine der ältesten Bevölkerungen
weltweit - und die meisten Toten waren ältere Menschen mit
Vorerkrankungen. Allerdings ist die Bevölkerung in Deutschland auch
nicht wesentlich jünger. Viele Großeltern wohnen in Italien mit ihren
Kindern und Enkeln im Haus oder sind mehr als in Deutschland in das
tägliche Leben eingebunden. Daher sind Ansteckungen einfacher. Auch
gehen Experten davon aus, dass die Dunkelziffer bei den Infizierten
wesentlich höher ist als angegeben, viele mild oder symptomlos
verlaufende Fälle werden nicht erfasst. Daher ergibt sich eine höhere
Sterberate.

Zivilschutzchef Angelo Borrelli betonte in Rom, dass bei den
Verstorbenen die Todesursache nicht abschließend geklärt sei: Also ob

die Menschen nur an Covid-19 starben oder ob der Grund eine andere
Krankheit war. Die allermeisten Opfer sind über 70 Jahre alt, viele
litten an einer oder mehreren Krankheiten, zum Beispiel an Diabetes,
Krebs oder Atemwegsproblemen. Allerdings warnen Experten auch, dass
die Krankheit bei jüngeren Menschen einen schweren Verlauf nehmen
kann.