Krisengespräche auch am Wochenende - Mieter sollen geschützt werden

Das Corona-Krisenmanagement der Politik kennt kein Wochenende.
Zahlreiche Hilfen sind in Vorbereitung. Derweil sorgt der
Flickenteppich von Länder-Vorsorgemaßnahmen für Verdruss. Kann die
Bund-Länder-Konferenz am Sonntag für Vereinheitlichung sorgen?

Berlin (dpa) - Die Politik arbeitet auch am Wochenende unter
Hochdruck an weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.
Vor dem für Montag geplanten Kabinettsbeschluss zu beispiellosen
Milliardenhilfen zur Abfederung der Corona-Krise beraten Regierung
und Parlament. Es werde gesonderte Beratungsformate zwischen den
zuständigen Bundesministern und Fraktionen geben, heißt es in einem
der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Freitagabend vorliegenden
Schreiben des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion,
Michael Grosse-Brömer (CDU), an die Abgeordneten von CDU/CSU. Am
Dienstag wollen die Fraktionen beraten, am Mittwoch sollen die
erforderlichen Gesetze den Bundestag passieren. Schon am Sonntag will
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Bundesländern über die weiteren
Schritte sprechen. Auch weltweit gab es immer weitere Einschränkungen
des öffentlichen Lebens und der Reisefreiheit.

Am Freitag preschten einige Bundesländer schon mit drastischen
Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor. Am weitesten gehen dabei
Bayern und das Saarland: Dort treten an diesem Samstag
Ausgangsbeschränkungen in Kraft, die Bürger dürfen ihre Wohnungen nur

noch aus triftigen Gründen verlassen. Auch Länder wie
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen und Hamburg
verschärften ihren Kurs. Treffen auch kleinerer Gruppen sind
vielerorts nun verboten, Restaurants werden für Gäste geschlossen. In
Berlin sah der rot-rot-grüne Senat vorerst von Ausgangssperren ab.
Regierungschef Michael Müller (SPD) kündigte am Freitagabend aber
Restaurantschließungen sowie Einschränkungen für Versammlungen auch
mit weniger als 50 Menschen an.

Italien, das binnen 24 Stunden mehr als 600 neue Covid-19-Tote
registrierte, verschärfte die landesweite Ausgangssperre weiter. Auch
der Besuch von Parks ist nun verboten. EU-Ratschef Charles Michel
wandte sich in einem emotionalen Schreiben an Italiens Präsidenten
Sergio Mattarella: «ITALIEN IST NICHT ALLEIN.» Und fügte hinzu:
«Wie
man es aus allen Ecken Ihres wundervollen Landes widerhallen hört:
«ALLES WIRD GUT.» Der niederländische König Willem-Alexander sagte
in
einer TV-Ansprache, keiner dürfe im Stich gelassen werden. «Das
Cornonavirus können wir nicht stoppen, aber das Einsamkeitsvirus
schon.»

Auch in den USA gab es neue Ausgangssperren. Nach Kalifornien
kündigte der US-Bundesstaat Illinois entsprechende Maßnahmen ab
Samstag an. Die USA schlossen zudem ihre Grenze auch zu Mexiko
weitgehend. Auch im besonders betroffenen New York gab es weitere
Einschränkungen. US-Präsident Donald Trump zeigte sich jedoch trotz
der Krise optimistisch. Nach dem Sieg über das Virus werde die
US-Wirtschaft wieder «abgehen wie eine Rakete», sagte er. Die
US-Aktienmärkte erlitten jedoch auch am Freitag wieder heftige
Verluste und das Wochenminus lag damit bei etwa 17 Prozent.

In Deutschland rügte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans das
unabgestimmte Vorgehen von Länderseite. Es wäre besser, wenn die
Länder, wie vereinbart, mit der Kanzlerin abgestimmt handeln würden»,

sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Der
Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, rief
Bund und Länder auf, zu einer einheitlichen Linie zu kommen. «Das ist
für die Menschen eine klarere Botschaft als unterschiedliche
Regelungen von Stadt zu Stadt oder Land zu Land», sagte Dedy den
Funke-Zeitungen.

Industriepräsident Dieter Kempf betonte, die Industrie erkenne die
Notwendigkeit von Ausgangsbeschränkungen an. Es sei aber wichtig,
dass die Menschen weiterhin zu ihrer Arbeit gehen könnten, wenn
Home-Office, etwa in der Produktion, keine Option sei, sagte Kempf
der Deutschen Presse-Agentur. Auch bei weiteren Einschränkungen des
öffentlichen Lebens in Deutschland müsse aus Sicht der deutschen
Industrie der Betrieb in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen
aufrechterhalten werden.

Die EU-Industrieminister warnten vor einer Unterbrechung von
Lieferketten wegen neuer Grenzkontrollen. Die LKW-Schlangen vor der
deutsch-polnischen Grenze wurden am Freitag jedoch kürzer. Deutsche
Autobauer wie Daimler und BMW in den USA oder VW in Argentinien
kündigten Unterbrechungen der Produktion an. Angesichts der
erwarteten Wirtschaftskrise will die EU die Haushaltsregeln lockern.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte unterdessen ein Verbot
von Miet-Kündigungen während der Corona-Krise. «Die Politik muss
jetzt ein deutliches Signal setzen: Das Zuhause muss sicher sein»,
sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. Das gelte auch für Gewerberäume.

In der Bundesregierung werden bereits Hilfen für Mieter erwogen, die
wegen der Corona-Krise ihre Wohnungsmiete nicht mehr zahlen können.
«Dies gilt für Mieterinnen und Mieter von Wohnraum ebenso wie für
Gewerbemieterinnen und -mieter», sagte ein Sprecher des
Justizministeriums den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag) sagte
Ministeriumssprecher Rüdiger Petz, wer heute zwei Monate
hintereinander seine Miete nicht zahle, dem könne fristlos gekündigt
werden. «Wir wollen das ändern und arbeiten daran, dass niemand seine
Wohnung verliert.»

Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstag)
unter Berufung auf Koalitionskreise will das Bundeskabinett am Montag
auch Hilfen für Deutschlands Krankenhäuser im Umfang von zunächst
drei Milliarden Euro auf den Weg bringen. Details sind noch offen.
Der entsprechende Gesetzentwurf sollte an diesem Samstag vorliegen.
Ebenfalls vom Bundeskabinett beschlossen werden solle ein
Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD),
der es angesichts der Corona-Ansteckungsgefahr ermöglichen soll,
Hauptversammlungen von Konzernen online stattfinden zu lassen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte für Montag
eine Gesetzesänderung an, Familien mit kleinen Einkommen den Zugang
zum Kinderzuschlag zu erleichtern. Derzeit hätten schon zwei
Millionen Kinder einen Anspruch auf den «KiZ», der bis zu 185 Euro
pro Kind und Monat zusätzlich bedeuten könne, erläuterte Giffey in
der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag). «Für Eltern, die jetzt

akut Einkommenseinbußen haben, planen wir die Möglichkeit, ebenfalls
Ansprüche geltend zu machen», sagte die SPD-Politikerin.