Berlin will härtere Einschränkungen verhängen wegen der Corona-Krise

Wie stark soll das öffentliche Leben zur Eindämmung der
Coronavirus-Krise beschränkt werden? Regierungschef Müller will eine
Ausgangssperre vermeiden - härtere Maßnahmen stehen aber auch in der
Hauptstadt bevor.

Berlin (dpa/bb) - Zur Eindämmung des Coronavirus soll auch in Berlin
das öffentliche Leben noch stärker eingeschränkt werden. Berlins
Regierungschef Michael Müller (SPD) kündigte härtere Maßnahmen in d
en
kommenden Tagen an. So soll es zu Restaurantschließungen kommen,
Versammlungen auch mit weniger als 50 Menschen sollen eingeschränkt
werden. Eine Ausgangssperre wolle er aus Sorge vor den sozialen
Folgen aber vermeiden, sagte Müller in der der Rbb-«Abendschau».
Zudem wurde am Freitag bekannt, dass zum ersten Mal in Berlin
nachweislich ein mit dem neuartigen Coronavirus infizierter Patient
starb.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben sich bereits
mehrere Bundesländer zu drastischen Einschnitten im öffentlichen
Leben entschieden. Am weitesten gehen dabei Bayern und das Saarland:
Dort treten an diesem Samstag Ausgangsbeschränkungen in Kraft, die
Bürger dürfen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen
verlassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich am Sonntag
mit den Ministerpräsidenten der Länder in einer Telefonkonferenz
beraten. Dabei dürfte es auch um weitere Beschränkungen und
Ausgangssperren gehen.

«Wir erleben es ja, dass manche es immer noch nicht begriffen haben
und glauben, Restaurants sind immer noch ein schöner Treffpunkt zu
feiern oder ich mache die Party im Mauerpark», sagte Berlins
Regierungschef Müller in der «Abendschau». Berlin werde zu härteren

Maßnahmen kommen müssen.

Der Senat solle vorbereiten, dass es auch in Berlin zu
Restaurantschließungen kommen könne, erläuterte Müller. Bislang
müssen diese Lokale ab 18.00 Uhr zumachen. Künftig solle es dann noch
Abhol- und Lieferdienste geben. Auch Versammlungen unter 50 Menschen
sollten eingeschränkt werden, kündigte Müller an. «Ich gehe davon
aus, dass wir das in den nächsten Tagen auch beschließen werden und
umsetzen werden». Er wolle das in enger Abstimmung mit Brandenburg
machen.

Am Freitag debattierte der rot-rot-grüne Senat über den weiteren Kurs
in der Coronavirus-Krise. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD)
war für eine Ausgangssperre, hat sich mit ihrer Position in der
Sondersitzung des Senats am Donnerstagabend aber nicht durchsetzen
können. Die Diskussion über das Thema wurde nach Angaben von
Teilnehmern ausgesprochen emotional geführt. «Senatorin Kalayci hat
dem Senat eine Ausgangssperre empfohlen, die abgelehnt wurde», teilte
ihre Sprecherin am Freitag mit.

Die Linke in Berlin sieht Ausgangssperren ausgesprochen kritisch:
«Jedes andere Mittel muss erst ausgeschöpft sein», sagte
Landesvorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur am
Freitag. Eine Ausgangssperre bedeute keine verlängerten Schulferien.
«Wir sperren dann Leute ein.»

Die Berliner SPD-Fraktion hat sich in der Diskussion gegen Tabus
ausgesprochen: «Die Situation ist so ernst, dass kein Instrument tabu
ist», teilte Fraktionsvorsitzender Raed Saleh am Freitagabend mit. Es
gehe nicht um politische Befindlichkeiten, sondern um die Gesundheit
der Bevölkerung. «Es geht um Leben und Tod. Von der italienischen
Krankenschwester bis zum italienischen Ministerpräsidenten hören wir,
bitte macht nicht unsere Fehler. Das müssen wir ernst nehmen.» Die
schnelle Ausbreitung des Virus in Deutschland und speziell auch in
Berlin zeige, dass Eile geboten sei, sagte Saleh.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) erklärte auf Nachfrage, der
Senat habe bereits deutliche Maßnahmen zur Einschränkung des
öffentlichen Lebens ergriffen und werde dafür sorgen, dass diese
Regeln auch durchgesetzt würden. «Es geht um Gesundheitsschutz, aber
auch um Freiheitsrechte und soziale Folgen», so die Senatorin. «Eine
Rutschbahn zu immer drastischeren Maßnahmen kann es in einer
aufgeklärten Demokratie nicht geben». Pop sieht Ausgangssperren
ebenfalls kritisch.

Die Linke-Vorsitzende Schubert sprach sich dafür aus, dass Berlin
unabhängig von den in anderen Ländern getroffenen Maßnahmen
entscheiden solle: «Die Situation in Berlin ist eine andere als im
Schwarzwald, das ist nicht vergleichbar», sagte sie. «Wenn wir 3,7
Millionen Menschen einsperren, ist das ein großer Eingriff.» Es dürfe

nicht entscheidend sein, wie eine Mehrheit der Ministerpräsidenten
das bewerte. «Wir müssen für Berlin entscheiden, was das Richtige
ist.»

Der Regierende Bürgermeister sagte am Freitagmorgen im Rbb-Inforadio,
eine Ausgangssperre sei «kein Allheilmittel». «Ich appelliere immer
noch sehr an die Vernunft jedes einzelnen, jetzt mit zu helfen, es
geht um unser aller Gesundheit», sagte Müller. «Viele haben
begriffen, worum es jetzt geht, dass man Kontakte so weit wie möglich
vermeidet.» Es gebe aber immer noch Menschen, «die eng
zusammenstehen, feiern, die zu Corona-Partys einladen».

Der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner forderte, eine Ausgangssperre in
Berlin dürfe im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus kein Tabu
sein. FDP-Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja kritisierte den
Senat: «Berlin verhält sich viel zu zögerlich, das muss der
Regierende Bürgermeister endlich anerkennen», sagte er. «Auf weitere

Entscheidung auf Bundesebene zu warten und damit ein weiteres
Wochenende mit vollen Parks, Cafés und Corona-Partys zu riskieren,
wäre falsch.» Auch aus Sicht von Berlins AfD-Fraktionschef Georg
Pazderski geht es nicht ohne Ausgangssperre, sollten die Menschen die
notwendigen Maßnahmen missachten.