Bayern prescht mit Ausgangsbeschränkung in Corona-Krise vor

Reichen die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in
Deutschland aus? Die Bundesregierung kündigt für Sonntag eine
schonungslose Analyse zusammen mit den Ländern an - und weitere
Schritte. Bayern schafft schon Tatsachen.

Berlin (dpa) - Zur Eindämmung des Coronavirus hat Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) weitreichende
Ausgangsbeschränkungen für sein Bundesland angekündigt. Das Verlassen

der eigenen Wohnung ist ab Samstag nur noch bei Vorliegen triftiger
Gründe erlaubt, wie er am Freitag in München deutlich machte. Dazu
zählen unter anderem der Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt-
und Apothekenbesuche, Hilfe für andere, Besuche von Lebenspartnern,
aber auch Sport und Bewegung an der frischen Luft - dies aber nur
alleine oder mit den Personen, mit denen man zusammenlebt.

Wegen der Corona-Krise wollen die Bundesländer nach seinen Angaben
auch weitere deutliche Einschränkungen für Gastronomiebetriebe
umsetzen. «Wir werden auch die Gastronomie ab morgen grundlegend
schließen», sagte Söder. «Keine Gastronomie hat mehr geöffnet, nu
r
noch, wenn es um to go, Drive-in oder entsprechende Lieferungen geht.
Dies ist auch etwas, was nahezu alle Bundesländer jetzt umsetzen
wollen.»

Auch das Saarland will im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus
eine Ausgangsbeschränkung erlassen. Das werde Ministerpräsident
Tobias Hans (CDU) noch am Freitag dem Kabinett zum Beschluss
vorschlagen, teilte die Staatskanzlei in Saarbrücken mit.

Als Reaktion auf die Sorglosigkeit vieler Menschen hatte die
Diskussion über Ausgangssperren oder Betretungsverbote von Parks und
Plätzen vorher an Fahrt aufgenommen. Die Entscheidung in Bayern war
dem Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, aber zunächst
nicht bekannt. Dies zeige sicherlich, dass die Absprache und die
Koordination am Sonntag «besonders wichtig ist», sagte er vor der
Bundespressekonferenz. Die Bundesregierung mahnte die Menschen in
Deutschland abermals eindringlich, sich wegen der Corona-Krise nicht
in Gruppen zu treffen.

Über weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens wird Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) am Sonntag mit den Bundesländern beraten. Dabei
werde die Wirkung der bisherigen Maßnahmen schonungslos analysiert,
kündigte Seibert an. Zugleich gelte es, die Verhältnismäßigkeit zu

wahren. «Wir handeln als Demokratie», sagte er. «Das gilt jetzt, und

das wird auch weiter gelten.» Zur Frage nach einem Notstand sagte
Seibert: «Der Begriff ist nicht gefallen, und das hat Gründe.»

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, sagte, es wäre
«unseriös», jetzt schon darüber zu spekulieren, welche möglichen

Maßnahmen in zwei oder drei Tagen noch anstehen könnten. Alle
Anordnungen müssten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.

Zur Klärung der verschiedenen Begriffe in der öffentlichen Diskussion
- wie Ausgangssperre und Betretungsverbot - sagte er, es gebe keine
einheitlichen, gesetzlich gefassten Begriffe für die
unterschiedlichen Auflagen. Eine öffentliche Anordnung müsse aber
verständlich und so beschrieben sein, dass sie für alle eindeutig zu
verstehen sei.

Kanzleramtschef Helge Braun sieht den Samstag als eine Wegmarke. «Wir
werden uns das Verhalten der Bevölkerung an diesem Wochenende
anschauen», sagte der CDU-Politiker dem «Spiegel». «Der Samstag ist

ein entscheidender Tag, den haben wir besonders im Blick.»

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster plädierte dafür, das von der
Stadt Freiburg erlassene Betretungsverbot für Gruppen an öffentlichen
Orten bundesweit einzuführen - auch, um eine generelle Ausgangssperre
zu vermeiden, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Inzwischen
wurden für andere Städte bereits ähnliche Verbote ausgesprochen.

Auf öffentlichen Plätzen in Baden-Württemberg sollen
Menschenansammlungen verboten werden. Die Landesregierung bereitet
ein Niederlassungsverbot für Gruppen auf öffentlichen Plätzen vor,
wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen
erfuhr.

Freiburg hat bereits ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche
Orte beschlossen, das aber nur für Gruppen gelten soll. Es tritt an
diesem Samstag in Kraft und soll bis zum 3. April gelten. Es handelt
sich nicht um eine generelle Ausgangssperre. Wer sich im Freien
aufhalten möchte, darf dies weiterhin tun, allerdings nur allein, zu
zweit oder mit Menschen, die in seinem Haushalt leben. Man darf zudem
weiterhin zur Arbeit oder zum Arzt gehen sowie Lebensmittel
einkaufen. Mit der Maßnahme will die Stadt die Ausbreitung des Virus
eindämmen.

In der rot-rot-grünen Regierungskoalition von Berlin gibt es beim
Thema Ausgangssperre unterschiedliche Ansichten. Gesundheitssenatorin
Dilek Kalayci (SPD) ist dafür, hat sich mit ihrer Position aber bei
der Sondersitzung des Senats am Donnerstagabend nicht durchsetzen
können. «Senatorin Kalayci hat dem Senat eine Ausgangssperre
empfohlen, die abgelehnt wurde», teilte ihre Sprecherin am Freitag
mit. Die «Berliner Morgenpost» berichtet online von einem «heftigen
Streit» über das Thema, bei dem Kalayci für ihre Pläne kritisiert
worden sei.

Eine Ausgangssperre bleibt für Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) «wirklich das allerletzte
Mittel». Schon jetzt seien zahlreiche Grundrechte, wie die
Bewegungsfreiheit und die Religionsfreiheit eingeschränkt worden,
sagte Laschet am Freitag in einer Bürger-Fragestunde des Radiosenders
WDR 2. «Der Staat muss sorgsam überlegen, wie weit kann er gehen.»

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht
Ausgangssperren als letztes Mittel, um eine Ausbreitung des
Corona-Virus in Sachsen zu verlangsamen. Dies geht aus einem
Interview hervor, das er der «Sächsischen Zeitung» in Dresden gab
(Freitag). Eine Ausgangssperre wolle niemand, da sie das Leben massiv
einschränken würde.