Ambulante Pflegedienste am Limit Von Josefine Kaukemüller, dpa

Aus dem Alltag vieler Menschen in Bayern sind Ambulante Pflegedienste
nicht wegzudenken. Auch in der Corona-Krise sind sie weiter für die
Menschen im Einsatz. Doch von Seiten der Pflegekräfte wachsen die
Sorgen.

München (dpa/lby) - Das neuartige Coronavirus stellt die ambulanten
Pflegedienste in Bayern vor große Schwierigkeiten. Die Menschen, die
sie versorgen, sind meist alt und krank und laufen so Gefahr, an
schweren Verläufen des Virus zu erkranken. Die Pflegedienste
beschwichtigen - man lasse niemanden im Stich. Mit erhöhten
Hygienevorkehrungen geht der Service uneingeschränkt weiter - noch.
Denn Handschuhe und Desinfektionsmittel werden langsam knapp.

«Wir sind an der Grenze unserer Kapazitäten», sagt Armin Heil, Leiter

eines ambulanten Pflegedienstes in Tutzing. Unter strengen
Hygieneregeln seien seine Mitarbeiter weiterhin rund um die Uhr im
Einsatz, um alten und kranken Menschen auch während der Corona-Krise
unverzichtbare Unterstützung zu Hause zu bieten - ob beim Essen,
Waschen oder vielen anderen täglichen Aktivitäten. «Wir geben uns die

größte Mühe, den Alltag so zu führen, wie er vorher war.»

Das Problem: Weil Mundschutze, Handschuhe und Kleidung ständig
gewechselt und Desinfektionsmittel noch häufiger als sonst genutzt
werden müssen, würden bei diversen Pflegediensten langsam die
Hygiene- und Desinfektionsmittel knapp. Hier sieht Armin Heil die
Staatsregierung in der Pflicht: «Das ist ein Versorgungsdefizit, was
wir jetzt noch haben.»

Für die ambulanten Pflegedienste des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK)
sei es in der schwierigen Lage das Wichtigste, dass kein
Pflegebedürftiger allein zu Hause unversorgt bleibe. «Unser ganz
großes Ziel und Anliegen ist, dass wir den hilfsbedürftigen Menschen
weiterhin die Pflege bieten, die sie brauchen», sagt Sprecher Sohrab
Taheri-Sohi. Der Hausservice laufe deswegen auch in der Corona-Krise
in vollem Umfang weiter, «aber unter erschwerten Bedingungen.»

Wenn der Patient zum Beispiel nur Essen gebracht bekommen müsse,
werde dafür gesorgt, dass die oder der Pflegebedürftige nicht im
gleichen Raum sei. Bei weitreichenderen Pflegeangeboten sei diese
Distanz dann aber unmöglich, sagt Taheri-Sohi: «Man kann niemanden
mit eineinhalb Metern Abstand waschen.» Auch beim BRK würden deshalb
die Hygienemaßnahmen erhöht, Mundschutze ständig ausgetauscht und
Desinfektionsmaßnahmen noch häufiger als sonst durchgeführt.

Diese verschärften Hygienestandards stehen auch bei den häuslichen
Pflegediensten der Bayerischen Johanniter auf dem Tagesplan - zum
Schutz von Patienten und Mitarbeitern, sagt Sprecherin Carolin Mauz.
Auch hier laufe der Pflegeeinsatz für Alte und Kranke im häuslichen
Umfeld zunächst uneingeschränkt weiter. «Wir lassen in dieser
schwierigen Zeit natürlich niemanden im Stich.»

Wie reagieren die Menschen, die als Infektions-Risikogruppe gelten,
auf den oft direkten Kontakt mit den Pflegern? «Man kennt sich ja
auch und es ist was Vertrautes, was Beruhigendes für die Leute. Da
nehmen wir ihnen die Verunsicherung», so Mauz. Dass ein Patient aus
Angst vor einer Infektion eine Pflegekraft gebeten hätte, nicht zu
kommen, sei bisher nicht geschehen.

Armin Heil vom Pflegedienst in Tutzing hat da auch andere Erfahrungen
gemacht: Hier habe eine lungenkranke Patientin gebeten, dass die
Pflegekräfte sie vorübergehend nicht besuchen sollten. «Die Menschen

freuen sich, dass wir kommen, aber sind auch beunruhigt. Das ist auch
die Aufgabe der Mitarbeiter, sie jetzt da mit ihrer Sorge zu
betreuen.»

Ein besonderes Problem hätten laut BRK-Sprecher Taheri-Sohi aber
Pflegemitarbeiter in den grenznahen Regionen: Einige von ihnen lebten
in Tschechien oder in Österreich und könnten bei totalen
Grenzschließungen nicht mehr nach Bayern kommen.

Das absolute Schreckensszenario für Taheri-Sohi? Wenn nicht mehr
genug Mitarbeiter einsatzfähig wären, um die Pflege komplett aufrecht
zu erhalten. «Davon sind wir jetzt noch weit entfernt. Aber das ist
bei der Entwicklung der Fallzahlen ein Szenario, das uns nachdenklich
stimmt. Das wäre für uns das Schlimmste, was passieren kann.»