Sportler bangen: Sorge um Durchführung der Olympia-Qualifikationen Von den dpa-Korrespondenten

Kaum noch jemand glaubt an eine Austragung der Olympischen Spiele ab
24. Juli. IOC-Präsident Thomas Bach hält an dem Termin fest,
DOSB-Chef Alfons Hörmann hat Zweifel. Nahezu alle Sportarten kommen
wegen der Corona-Krise bei den Qualifikationen in Terminnot.

Berlin (dpa) - Am 24. Juli sollen in Tokio die Olympischen Spiele
eröffnet werden. Davon geht IOC-Präsident Thomas Bach trotz der
Coronavirus-Pandemie aus. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen
Olympischen Sportbundes, fürchtet aber, dass angesichts der rasanten
Ausbreitung des Virus die Entscheidung über eine Absage der
Olympischen Spiele in Tokio schneller kommen als bisher angenommen.

Athletensprecher Max Hartung, derzeit selbst in Quarantäne, ist
besorgt. «Für die Athleten geht es ja neben der sportlichen
Perspektive auch um wirtschaftliche und rechtliche Aspekte. Was
passiert mit meinem Sponsorenvertrag, wenn die Spiele ausfallen?
Falle ich aus der Sportförderung? Bin ich weiterhin im
Olympiakader?», sagte er jüngst der «Rheinischen Post».

Selbst wenn der Olympia-Eröffnungstermin zu halten ist, gibt es
Probleme. Denn die meisten Qualifikations-Wettbewerbe sind derzeit
abgesagt oder verschoben. Erst 55 Prozent der Athleten haben ihr
Tokio-Ticket sicher, wie Bach zuletzt durchblicken ließ. Das IOC will
daher Härtefall-Regeln zulassen.

LEICHTATHLETIK: Die Straßenläufer haben aktuell die größten Probl
eme
in der Olympia-Qualifikation. Fast alle relevanten Marathons sind
abgesagt worden. Qualifikationsschluss für die Marathonläufer und
Geher ist bereits der 31. Mai. Für die im Stadion kämpfenden
Leichtathleten sind die deutschen Meisterschaften am 6./7. Juni in
Braunschweig - abgesehen von einigen Ausnahmen - die ultimative
Möglichkeit, noch ein Olympia-Ticket zu holen.

HANDBALL: Die Olympia-Qualifikationsturniere wurden vom Weltverband
IHF in den Juni verschoben. Sechs der insgesamt zwölf Teilnehmer des
olympischen Handball-Turniers sollen über diese Turniere ermittelt
werden. Auch die deutsche Nationalmannschaft will sich darüber ein
Ticket sichern. Ursprünglich hätten ihre Qualifikationsspiele gegen
Schweden, Slowenien und Algerien vom 17. bis 19. April in Berlin
stattgefunden. Die ersten beiden Teams schaffen es zu den Spielen in
Tokio.

BASKETBALL: Der Abschluss der Olympia-Qualifikation für das deutsche
Team soll vom 23. bis 28. Juni in Split steigen. In einem von
insgesamt vier Turnieren geht es noch um die letzte Chance für das
Tokio-Ticket. Ein Qualifikationsturnier für die deutschen
3x3-Basketballerinnen sollte ursprünglich vom 18. bis 22. März im
indischen Bengaluru stattfinden, musste aber verschoben werden. Einen
neuen Termin gibt es bisher noch nicht.

BOXEN: Die europäische Olympia-Qualifikation ist am Dienstag in
London abgebrochen worden. In derselben Mitteilung wurde auch die für
Mai geplante globale Qualifikation in Paris gecancelt. Völlig unklar
ist, wie es weitergehen soll. Das spätmöglichste Zeitfenster für die

Welt-Qualifikation wäre vom 11. bis 22. Juni. «Allerdings muss sich
da ein Land finden, dass das ausrichtet», sagte Sportdirektor Michael
Müller. Bisher hat ein deutscher Boxer das Tokio-Ticket.

HOCKEY: Die Qualifikation für Männer und Frauen sind bereits im
November 2019 mit den letzten Playoff-Spielen abgeschlossen worden.
Die beiden 12er-Felder stehen fest. Die deutschen Teams sind dabei.

RADSPORT: Große Probleme gibt es nicht. Bei den Straßen-Wettbewerben

haben die Länder Quotenplätze, über die sie selbst entscheiden
können. Auf der Bahn ist bereits alles geregelt, Ende Februar wurden
bei den Weltmeisterschaften in Berlin die letzten Plätze vergeben.
Ein wenig komplizierter könnte es in den BMX-Wettbewerben ablaufen,
wo noch wichtige Turniere (WM und World Series) anstehen.

RINGEN: Gerade mal die Hälfte der Olympia-Starter haben ihr Ticket
für Tokio sicher, kontinentale Qualifikationsturniere wie jenes für
Europa mit den deutschen Startern stand an diesem Wochenende an. Es
wurde ebenso abgesagt wie das letzte weltweite Quali-Turnier Ende
April. Neue Termine für die Events gibt es bislang nicht.

RUDERN: Erst sechs deutsche Boote wären sicher in Tokio dabei. Wie
die Qualifikation für die restlichen acht Boote erfolgen soll, bleibt
vorerst unklar. So wurde die für Mitte Mai in Luzern geplante
kontinentale Qualifikationsregatta abgesagt. Weil auch alle drei
Weltcups ausfallen, wird auch die Vorbereitung der bereits
qualifizierten Boote massiv gestört. Für den Deutschland-Achter wäre

die EM in Posen vom 5. bis 7. Juni nach aktuellem Stand der einzige
verbliebene Wettkampf vor der olympischen Regatta.

SPORTKLETTERN: Die letzten europäischen Startplätze für die
Sportart-Premiere in Tokio werden bei der EM vergeben. Diese hätte in
diesen Tagen in Moskau stattfinden sollen. Sie wurde vorerst auf 15.
bis 22. Juni verschoben.

TENNIS: Die Startplätze für Olympia werden nach strengen Kriterien
pro Nation vergeben. Neben der Position in der Weltrangliste sind
auch Einsätze im Davis Cup und Fed Cup Voraussetzungen. Da bei den
Damen die Final-Woche im Fed Cup Mitte April abgesagt wurde, kommt
Angelique Kerber beispielsweise nicht auf den eigentlich benötigten
Einsatz. Der Weltverband arbeite «eng mit dem IOC zusammen, um
Auswirkungen auf die Sommerspiele in Tokio zu erörtern», hieß es
zuletzt vom Weltverband. «Man wird keinen Spieler bestrafen oder
ausschließen. Es wäre ja lächerlich, wenn Angelique Kerber zum
Beispiel nicht mitspielen könnte, weil sie nicht an einem
Fed-Cup-Spiel teilgenommen hat, das es gar nicht gab», sagte
Verbands-Vize Dirk Hordorff dem Portal «tennisnet.com»

TURNEN: Für die deutschen Turnerinnen und Turner stehen zwei
offizielle Olympia-Qualifikationswettkämpfe an: Am 6./7. Juni im
Rahmen der Finals in Oberhausen und am 20. Juni in Frankfurt/Main
soll ermittelt werden, welche je vier Turnerinnen und Turner den
Sprung in die deutschen Riegen für Tokio schaffen. Sowohl die Frauen
als auch die Männer lösten mit der Mannschaft bei der WM in Stuttgart
das Olympia-Ticket. Notfalls könnten die internen
Olympia-Ausscheidungen ohne Zuschauer stattfinden. Der am kommenden
Wochenende (20.-22. März) geplante DTB-Pokal in Stuttgart ist ebenso
wie die Europameisterschaften abgesagt.

FECHTEN: Aufgrund der Coronavirus-Pandemie hat der Fecht-Weltverband
Fie die ausstehenden Qualifikationsturniere auf einen unbestimmten
Zeitpunkt verschoben. «Der Qualifikationszeitraum für Tokio wird
verlängert», schrieb auch der Deutsche Fechter-Bund. Vom DFeB haben
sich bereits die Säbel- und Florett-Herren jeweils im Team für
Olympia qualifiziert. Florettfechterin Leonie Ebert hat beste
Aussichten, ist aufgrund der ausgesetzten Turniere offiziell aber
noch nicht qualifiziert.

SCHWIMMEN: Die deutschen Schwimmer hätten eigentlich bis
einschließlich der ursprünglich vom 30. April bis zum 3. Mai
geplanten deutschen Meisterschaften Zeit gehabt, die
Qualifikationszeiten zu erreichen. Die Wettbewerbe in Berlin wurden
aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Wie sich das auswirkt, ist noch
unklar. Denkbar wäre, dass der Qualifikationszeitraum verlängert wird
oder die Normen erleichtert werden. Aus dem deutschen Team haben
bislang Doppelweltmeister Florian Wellbrock, Sarah Köhler, Marco
Koch, Philip Heintz, Laura Riedemann, Marius Kusch und Jacob
Heidtmann die Normzeiten unterboten.

SEGELN: Das IOC hat den Zeitraum für die Nationen-Qualifikation bis
zum 30. Juni verlängert. Damit würde die vom 14. bis zum 21. Juni
geplante Weltcup-Regatta im Olympia-Revier von Enoshima in den
Qualifikationszeitraum passen. Sie ist für alle zehn Disziplinen als
finale Qualifikation für die letzten Nationenstartplätze im Gespräch.

Aus deutscher Sicht kämpfen noch die Finnsegler und die 470er-Männer
um einen der letzten Plätze. Als einzige haben bislang
Laser-Weltmeister Philipp Buhl und die 49er-WM-Dritten Erik
Heil/Thomas Plößel ihre Tickets sicher. Offen ist noch, welche
deutschen Segler im Skiff 49erFX, im Mixed-Katamaran Nacra 17, im
Laser Radial und bei den 470er-Frauen dabei sind.

WASSERBALL: Das Olympia-Qualifikationsturnier der Wasserballer wurde
verschoben. Statt vom 22. bis zum 29. März soll es nun vom 31. Mai
bis 7. Juni stattfinden - so ist zumindest derzeit der Plan.
Angesichts des neuen Zeitplans und der großen Ungewissheit schickte
Bundestrainer Hagen Stamm seine Spieler erst einmal in ein paar freie
Tage. Das Turnier der Frauen war auf Mitte Mai verlegt worden.

WASSERSPRINGEN: Deutschlands bester Wasserspringer Patrick Hausding
hat sich seinen Platz bereits gesichert, genau wie Tina Punzel vom
Drei-Meter-Brett. Weitere Tokio-Tickets wollten die deutschen
Springer eigentlich vom 21. bis zum 26. April beim
Qualifikationsevent in der japanischen Metropole buchen. Die
Veranstaltung wurde am Donnerstag jedoch in den Juni verschoben. Wann
genau sie stattfindet und wo, ist noch unklar.

SURFEN (WELLENREITEN): Die deutsche Surfer haben bei den «World
Surfing Games» vom 9. bis zum 17. Mai die letzte Chance, sich
Startplätze für den erstmals bei Olympia ausgetragenen
Wellenreitwettbewerb zu sichern. Von den insgesamt 40 Tickets (je 20
für die Männer und Frauen) werden nach einem komplizierten System
noch zwölf bei dem Event vergeben. Die besten Chancen aus deutscher
Sicht haben die Frauen. Rachel Presti, Noah Klapp und Camilla Kemp
sollen in El Salvador dabei sein. Bislang sind keine Auswirkungen der
Coronakrise auf den Wettbewerb bekannt.