Parlament im Corona-Modus: Landtag will Doppelhaushalt beschließen

Am Freitag soll das Landesparlament den Doppelhaushalt für dieses und
nächstes Jahr beschließen - mit drei Monaten Verspätung. Wie lange er

Bestand hat, ist mit Blick auf die Diskussionen zu nötigen
Corona-Hilfen für Wirtschaft, Kultur und Bevölkerung offen.

Magdeburg (dpa/sa) - Auf dem Papier ist das Landesgeld sauber
verteilt: Rund 24 Milliarden Euro will Sachsen-Anhalt in diesem und
im nächsten Jahr ausgeben. Für mehr Personal an Schulen und
Polizisten, für Kommunen und Kinderbetreuung. Auch das lange
geforderte Azubiticket als vergünstigte Monatskarte für Lehrlinge
soll kommen, und die schon lange ungeliebten Straßenausbaubeiträge
für Anwohner abgeschafft werden. Dafür sollen die Rücklagen für
schlechte Zeiten fast komplett geleert werden.

Am Freitag soll der Landtag das Doppelbudget endlich beschließen -
mit drei Monaten Verspätung. Wie lange er hält, ist offen.
Entscheidend sei, dass Sachsen-Anhalt schnell aus der derzeitigen
vorläufigen Haushaltsführung herauskomme und voll handlungsfähig
werde, sagte Finanzminister Michael Richter. Tatsächlich hat
Sachsen-Anhalt derzeit keinen gültigen Haushalt. Regierung und
Verwaltung können nur Pflichtaufgaben und laufende Kosten
finanzieren. Das ändert sich erst, wenn der Doppelhaushalt einige
Tage nach der Verabschiedung auch tatsächlich in Kraft tritt.

Die Vorbereitung der entscheidenden Landtagssitzung habe vor allem
die Verwaltung vor große Probleme gestellt, sagte der Vorsitzende des
Haushaltsausschusses, Olaf Meister, der Deutschen Presse-Agentur.
«Der Haushalt musste jetzt auf die Zielgrade kommen und das ist uns
gerade noch gelungen», sagte der Grünen-Politiker. Und es war knapp:
Am Mittwoch klärten die Parlamentarier die letzten offenen Posten -
nur einen Tag, bevor Parlamentspräsidentin Gabriele Brakebusch die
Arbeit des Parlaments wegen der den Landtag auf Corona-Modus
umstellte und die Arbeit der Ausschüsse weitestgehend auf Eis legte.

Dieser Krisenmodus wird bei der Sitzung am Freitag besonders sichtbar
sein: Obwohl der Haushalt die Königsdisziplin eines jeden Parlaments
ist, werden die Reihen im Landtag am Freitag gelichtet sein - und
zwar mit voller Absicht. Es gilt Corona-Sicherheitsabstand: Zwei
Meter plus X, wie Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) es jüngst
formulierte. Deswegen bleibt jeder zweite Abgeordnetensitz leer, gut
ein Viertel der Abgeordneten muss auf der Besuchertribüne am Rand
sitzen statt auf den angestammten Plätzen. Statt langer Reden wird es
ein kurzes Verfahren: Die Wortbeiträge werden still zu Protokoll
gegeben, dann wird abgestimmt.

Das stößt in der Opposition auf Kritik: «Dass wir gar nicht reden
dürfen, das finden wir mehr als kritikwürdig», sagte
Linken-Haushaltssprecherin Kristin Heiß am Donnerstag. Damit mache
man die Opposition mundtot. «Man regiert jetzt durch.» Andere Länder,

etwa Bayern, hätten einen Weg gefunden, trotz Corona-Schutzmaßnahmen
Landtagssitzungen mit Reden abzuhalten. Der Münchener Landtag hatte
am Donnerstag mit stark verkleinerter Besetzung getagt und
debattiert.

Die Leerstellen, die durch die Corona-Vorsichtsmaßnahmen im Landtag
sichtbar werden, stehen sinnbildlich für die Leerstellen im Haushalt.
Die negativen Folgen der weltweiten Pandemie werden auch
Sachsen-Anhalt Geld kosten. Steuereinnahmen könnten deutlich sinken,
die Ausgaben durch Hilfspakete deutlich steigen. Beziffern will das
bisher niemand. «In der Haushaltspolitik gibt es ein «vor Corona» und

«nach Corona». Wichtig ist, dass wir in Sachsen-Anhalt jetzt einen
Haushalt beschließen», sagte Haseloff der «Mitteldeutschen Zeitung»
.

Im «Vor Corona»-Haushalt sind nur vier Millionen Euro für dieses und

nächstes Jahr eingestellt, die einen direkten Bezug zur Krise haben:
Das Innenministerium will damit in Größenordnungen Schutzausrüstung
für Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschützer ordern. Innenminister
Holger Stahlknecht (CDU) hatte diese Summe vor eineinhalb Wochen noch
durchgesetzt, kurz bevor die allerletzten Verhandlungen zum
Doppelhaushalt im Parlament starteten.

Die Linke forderte am Donnerstag einen Sozialfonds in Höhe von 500
Millionen Euro aufzulegen, um Menschen, die durch die Schutzmaßnahmen
in Notlage geraten sind, zu helfen. Das Geld will die Partei zum Teil
von Menschen mit einem Privatvermögen von mehr als 3 Millionen Euro
einziehen.

«Wir alle wissen, dass die Herausforderungen der Coronakrise noch
viel größer sind, als es der Haushalt abbildet», räumte
Grünen-Politiker Meister ein. Doch wie viel Geld es Sachsen-Anhalt
wirklich kosten wird, das Coronavirus zurückzudrängen und die
negativen Folgen abzumildern? Das jetzt zu sagen, wäre
Kaffeesatzleserei, sagte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

Er arbeitet mit seinem Haus gerade an einem Programm, das die
Geldklemme vieler kleiner und mittlerer Unternehmen lockern soll, die
von den Corona-Maßnahmen betroffen sind. Es gehe darum, über die
Investitionsbank langfristige Überbrückungsdarlehen bereitzustellen,
sagte Willingmann dem Sender MDR Sachsen-Anhalt.

Geplant sei, dass für diese Darlehen fünf bis acht Jahre lang weder
Zinsen noch Rückzahlungen fällig werden. «Auch das kann helfen»,
sagte Willingmann. Wie viel zusätzliches Geld er dafür aus der
Landeskasse braucht, ließ er offen. Seine Pläne will er kommende
Woche mit seinen Ministerkollegen besprechen. Finanzminister Richter
kündigte am Donnerstag ein umfassendes Hilfspaket für die Wirtschaft
an. Es soll kommende Woche vorgestellt werden. Die Landesregierung
wolle abwarten, welche Hilfen die Bundesregierung am Mittwoch
beschließe. Doppelte Programme sollen so vermieden werden, sagte
Richter. «Wir werden helfen, am Geld wird es nicht scheitern.»

Viel Luft bietet der aktuelle Haushaltsentwurf nicht. Sollten größere
Ausgaben nötig sein, müsste der Landtag wohl bald wieder über das
Budget entscheiden - mit einem Nachtragshaushalt.