Rätsel um vergiftete Babys: Morphium kam erst später ins Beweismittel

Weil das Landeskriminalamt vorschnell Untersuchungsergebnisse
weitergeleitet hat, kam eine Kinderkrankenschwester unbegründet in
Haft. Nun tappen die Ermittler im Fall der vergifteten Babys am Ulmer
Klinikum wieder im Dunkeln.

Ulm (dpa/lsw) - Wegen einer Panne im Landeskriminalamt ist eine
Krankenschwester zu Unrecht verdächtigt worden, Babys in der Ulmer
Universitätsklinik Morphium verabreicht zu haben. Nun ist klar: Das
Morphium, das vermeintlich in einer Spritze mit Muttermilch im Spind
der Angestellten gefunden wurde, stammt aus einem Lösungsmittel des
Landeskriminalamts (LKA), das bei der Untersuchung verwendet worden
war. «Die Spritze ist außen vor. Da ist kein Morphin drin», sagte d
er
Leiter der Ulmer Staatsanwaltschaft, Christof Lehr, am Dienstag in
Ulm.

Staatsanwaltschaft und Polizei gehen weiter davon aus, dass die fünf
Babys durch einen kriminellen Akt in Lebensgefahr gerieten. «Es
spricht alles dafür, dass fünf wehrlosen Frühchen Morphin gegeben
wurde», sagte Lehr. Zum möglichen Motiv machte er keine Angaben. «D
a
sind wir im Bereich der puren Spekulation.»

In der Nacht auf den 20. Dezember waren fünf Säuglinge am Ulmer
Klinikum in lebensbedrohlichem Zustand auf die Intensivstation
gekommen. Rechtsmediziner wiesen in Urinproben der Babys Morphium
nach, das schwere Atemnot verursachen kann.

Die Muttermilchspritze aus dem Spind der Krankenschwester wurde am
Kriminaltechnischen Institut (KTI) des LKA untersucht. Ein
vorläufiges Zwischenergebnis, wonach auch diese Flüssigkeit Morphin
enthielt, teilte das LKA der Ulmer Polizei offenbar übereilt mit -
ohne weitere Ergebnisse abzuwarten. Die rasche Information sei im
Nachhinein betrachtet ein Fehler gewesen, erklärte LKA-Präsident Ralf
Michelfelder. Sein Institut habe zum Schutz der Säuglinge schnell
warnen wollen.

Die Mutter, von der die Muttermilch aus der Spritze stammte, gab
weitere Proben ihrer Muttermilch zur Untersuchung an das LKA in
Stuttgart. Die folgenden Analysen widerlegten den Erstbefund. Demnach
stammen die Morphinspuren nicht aus der Muttermilch aus dem Spind der
Krankenschwester, sondern aus einem Lösungsmittel, das die
Kriminaltechniker verwendeten. «Wie das Morphin da hineinkommt, ist
uns noch nicht so ganz klar», sagte Andrea Jacobsen-Bauer,
Regierungsdirektorin des KTI im Landeskriminalamt Baden-Württemberg.
Denkbar ist ihren Angaben nach, dass Kleinstmengen von Morphin über
die Luft in das Mittel gelangten.

Die Krankenschwester gab laut Staatsanwaltschaft an, sie habe die
Muttermilchspritze nach einer Fütterung im Schwesternkittel deponiert
und dann vergessen, sie zu entsorgen. Am Sonntag wurde die Frau aus
der Untersuchungshaft entlassen. Der dringende Tatverdacht gegen sie
bestehe nicht mehr, sagte Lehr. Nach seinen Angaben steht sie aber
weiterhin genauso im Fokus der Ermittlungen wie fünf weitere
Nachtschichtmitarbeiterinnen zum Zeitpunkt des Notfalls. Alle haben
den Vorwurf bestritten, mit der Vergiftung der Babys etwas zu tun zu
haben.