Bundeswehr holt 100 Deutsche aus China zurück - Ein Verdachtsfall

Wegen der neuen Lungenkrankheit hat die Bundeswehr 100 Deutsche und
ihre Angehörigen aus China ausgeflogen. Ein Passagier wird in einer
Klinik auf das Virus untersucht. Der Flieger musste einen Umweg
nehmen.

Peking/Frankfurt/Main (dpa) - Die Bundeswehr hat 100 Deutsche und
Angehörige von ihnen aus der stark vom Coronavirus betroffenen Stadt
Wuhan in China zurückgeholt. Einer der Passagiere wird in der
Frankfurter Uniklinik auf das Coronavirus untersucht. Insgesamt seien
elf Passagiere direkt vom Flieger in die Uniklinik gebracht worden,
sagte Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) am Samstagabend. Bei
einem von ihnen müsse abgeklärt werden, ob er mit dem Coronavirus
2019-nCoV infiziert sei, bei den anderen lägen andere medizinische
Gründe vor, erläuterte Klose rund drei Stunden nach der Landung des
Fliegers auf dem Frankfurter Flughafen.

Die Nationalität und das Geschlecht des sogenannten Abklärungsfalls
wurden zunächst nicht genannt. Das Ergebnis des Schnelltests werde am
Sonntagmittag erwartet, sagte der Leiter des Frankfurter
Gesundheitsamts, René Gottschalk. Die Person habe Atemnot und
leichten Husten gehabt. «Das ist nicht sonderlich gefährlich, selbst
wenn es ein Fall wäre», sagte Gottschalk.

Insgesamt sind laut Klose 124 Passagiere in Frankfurt gelandet: Neben
den 100 Deutschen auch 22 Chinesen, ein US-Bürger und ein Rumäne.
Auch 21 Kinder unter sieben Jahren seien an Bord gewesen. Die
Maschine der Luftwaffe war am Samstag gegen 16.30 Uhr aus Wuhan in
Frankfurt angekommen. Der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesgesundheitsministerium, Thomas Gebhart (CDU), hatte zuvor von
128 Passagieren gesprochen.

Die Passagiere, die nicht in die Uniklinik kamen, verließen nach
medizinischen Untersuchungen am Samstagabend Frankfurt. Sie wurden zu
der Kaserne nach Germersheim (Rheinland-Pfalz) gefahren, in der sie
die nächsten zwei Wochen in Quarantäne verbringen müssen. Sie sollten

am späten Abend ankommen. Da die Erkrankung bis zu zwei Wochen nach
der Infektion ausbrechen kann, ist die Quarantäne nötig.

Schon während des Flugs seien die elf Personen an Bord isoliert
worden, sagte Gesundheitsamtschef Gottschalk. Die Stimmung an Bord
sei dennoch gut gewesen. Alle hätten sich bedankt. Auch die als
Abklärungsfall eingestufte Person freue sich, «dass man sich um sie
kümmert».

Der Flieger durfte nicht wie ursprünglich vorgesehen in Moskau
zwischenlanden. Stattdessen war er nach Helsinki umgeleitet worden,
um die Crew auszutauschen und zu tanken. «Wir haben die
Überfluggenehmigung gehabt, und auch die Landegenehmigung war in
Aussicht gestellt. Das hat sich jetzt anders entwickelt», sagte
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in Bonn.
Durch die Umleitung hatte sich die geplante Ankunft verzögert.

Warum Russland die Zwischenlandung verweigert hatte, war zunächst
offiziell nicht bekannt. Hintergrund könnte sein, dass die Regierung
in Moskau zuvor die Sicherheitsregeln verschärft hatte. Ankommende
Flieger aus China durften an Russlands größten Flughafen
Scheremetjewo nur noch an einem Terminal ankommen. Zudem ordnete
Kremlchef Wladimir Putin das russische Militär an, ab Samstag
russische Staatsbürger aus Wuhan auszufliegen. Auch die USA, Japan,
Südkorea und andere Länder haben Staatsbürger aus Wuhan geholt oder
planen Rückholaktionen.

Außenminister Heiko Maas (SPD) bedankte sich in einem Telefonat bei
seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi dafür, dass China den
Evakuierungsflug aus Wuhan möglich gemacht hat. Er bot weitere
deutsche Unterstützung bei der Bewältigung der Seuche an. Die
Europäische Union sandte zwölf Tonnen Schutzkleidung nach China. Wie
die EU-Kommission mitteilte, hatte die Volksrepublik um die
Hilfsmittel gebeten. Die EU-Staaten hätten die Schutzkleidung
zusammengetragen, die bereits unterwegs nach China seien.

In Deutschland stieg die Zahl der Infektionsfälle am Samstagabend um
einen auf acht. Alle stehen im Zusammenhang mit der Firma Webasto in
Bayern. Darunter sind sieben Angestellte des Autozulieferers, einer
davon hat sein Kind angesteckt. Am Mittag hatte Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) gesagt, die zudem Zeitpunkt sieben registrierten
Infizierten seien alle «in sehr gutem gesundheitlichem Zustand.»

Deshalb solle die Bevölkerung «zwar mit Wachsamkeit, aber auch mit
der nötigen Gelassenheit» mit dem Thema Coronavirus umgehen, betonte
Spahn in Hinblick auf die Angehörigen der Infizierten in Bayern, die
nun teilweise von ihrer Umgebung gemieden würden. «Was mir am meisten
Sorgen macht, sind die Verschwörungstheorien aller Art, die zurzeit
in sozialen Medien verbreitet werden und die nur ein Ziel
haben: Unsicherheit zu verbreiten.»

Ein weiterer deutscher infizierter Staatsbürger wurde in Spanien
registriert. Der Deutsche auf der Kanareninsel La Gomera ist der
erste bekannte Fall in Spanien. Er sei mit einem der in Deutschland
infizierten Patienten in Kontakt gewesen, teilte die spanische
Regierung mit.

Rheinland-Pfalz sah sich am Samstag gut vorbereitet für die
Quarantäne der deutschen Staatsbürger und ihrer Familienangehörigen.

In der Germersheimer Südpfalz-Kaserne würden die «Menschen, die
einiges durchgemacht haben», eine gute und angemessene Betreuung
erhalten, sagte Landesgesundheitsministerin Sabine
Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Vormittag. Es stehen insgesamt 128
Zimmer in einem bisher unbewohnten Gebäude auf dem Areal bereit. Die
Betreuung übernähmen 27 Freiwillige des Deutschen Roten Kreuzes,
sagte Michael Sieland vom DRK. Sie müssen wie die Passagiere aus
China zwei Wochen in der Kaserne bleiben.

In China erlebte die Epidemie am Samstag den bisher höchsten Anstieg
der Infektionen und Toten innerhalb eines Tages. Die
Gesundheitskommission in Peking meldete einen Zuwachs um fast 2000
auf 11 791 Erkrankte. Die Zahl der Todesfälle stieg um 46 auf 259.
Außerhalb der Volksrepublik wurden bisher in zwei Dutzend Ländern
rund 150 Infektionen gezählt.

Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine «gesundheitliche
Notlage von internationaler Tragweite» erklärt hatte, riefen die USA
eine eigene «gesundheitliche Notlage» aus. Ausländische Reisende aus

China werden wegen des Ansteckungsrisikos nicht mehr ins Land
gelassen - mit Ausnahme von Angehörigen von US-Staatsbürgern. Der von
US-Präsident Donald Trump erlassene Bann gilt ab Sonntag (23.00 Uhr
MEZ). Bislang zählt die WHO sieben Fälle in den USA.