WHO-Chef informiert sich in China - Deutschland erwägt Rückholaktion

Erneut werden in China hunderte weitere Infektionen bestätigt. Der
Chef der Weltgesundheitsorganisation informiert sich direkt vor Ort.
Die Bundesregierung erwägt inzwischen, ausreisewillige Deutsche aus
betroffenen Regionen auszufliegen.

Peking (dpa) - Mit den weiter steigenden Fallzahlen der neuen
Lungenkrankheit in China wächst die Besorgnis weltweit. Der
Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) traf am Montag
in Peking ein, um sich persönlich über die Situation zu informieren.
Tedros Adhanom Ghebreyesus werde Regierungsvertreter und andere
Experten treffen, die mit dem Krisenmanagement befasst sind, hieß es
vom WHO-Büro in Peking. In Europa sind bisher drei Infektionen mit
dem neuartigen Virus nachgewiesen, alle drei betrafen Menschen in
Frankreich, die zuvor in China waren.

Die Bundesregierung erwägt, ausreisewillige Deutsche aus China
auszufliegen. Eine mögliche Evakuierung werde in Betracht gezogen,
sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag in Berlin. Demnach
geht das Auswärtige Amt von einer zweistelligen Zahl von Deutschen in
der besonders betroffenen Region aus. Der Krisenstab sei am Vormittag
zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Andere Länder wie Frankreich und die USA haben solche Rückholaktionen
bereits in die Wege geleitet. Die Botschaft stehe mit den Deutschen
vor Ort in Kontakt, hieß es von Maas. «Wir prüfen und wir bereiten
uns auf alle Optionen vor.» Er riet zudem von Reisen nach China ab.
«Reisende sollten überlegen, nicht zwingende Reisen nach China zu
verschieben oder zu unterlassen.»

Die Befürchtung, das neuartige Coronavirus könnte sich ausbreiten und
die chinesische Wirtschaft schwächen, ließ am Montag die Preise für
Heizöl und Benzin stark fallen. Am Morgen verbilligte sich Heizöl
regional unterschiedlich um zwei bis drei Euro je 100 Liter, wie es
auf der Internet-Seite des Messgeräte-Herstellers Tecson hieß.
Ähnlich günstig war Heizöl zuletzt im März 2018. Auch an den
Tankstellen sanken die Preise merklich.

Das chinesische Staatsfernsehen berichtete am Montag unter Berufung
auf Behördenangaben, dass die Zahl bestätigter Infektionen im
Vergleich zum Vortag um mehr als 700 auf 2744 stieg, die Zahl der
Toten um 24 auf 80, weiterhin meist ältere Menschen mit schweren
Vorerkrankungen. Damit hat sich die Zahl der bekannten Erkrankungen
seit vergangenem Montag, als rund 220 Fälle bestätigt waren, mehr a
ls
verzehnfacht. Mit den rund 50 Fällen außerhalb Chinas sind inzwischen

fast 2800 Fälle weltweit bestätigt.

Die Zahl der Infizierten in China kann weiter stark steigen, da es
rund 5800 Verdachtsfälle gibt, bei denen die Diagnose noch nicht
abgeschlossen ist. In Hongkong, Taiwan und Macao gibt es 17
bestätigte Erkrankungen - in anderen Ländern Dutzende mehr. Wie die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, war die große Mehrheit
der außerhalb Chinas Erkrankten zuvor in der besonders schwer
betroffenen Metropole Wuhan in Zentralchina, dem Ausgangsort der
Epidemie.

In den USA gab es bis zum Montag fünf bestätigte Infektionen, Kanada
meldete einen ersten «vorläufig bestätigten» Fall. Zudem gibt es
Dutzende Nachweise in Ländern wie Thailand, Japan, Südkorea, Vietnam,
Singapur und Malaysia.

Das neue Virus stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in
Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen
übersprang. China hat inzwischen im Kampf gegen eine weitere
Ausbreitung drastische Maßnahmen ergriffen: In der Provinz Hubei
wurden mehr als 45 Millionen Menschen in mindestens 14 Städten
weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Flüge und Zugverbindungen
sowie der öffentliche Nahverkehr wurden gestoppt. Selbst Metropolen
wie Peking und Shanghai und mehrere Provinzen haben die
Überlandverbindungen mit Bussen ausgesetzt.

Der Erreger ist inzwischen in fast jeder Provinz oder Region des
Landes aufgetaucht. Als weitere Maßnahme gegen die Ausbreitung
kündigte die Regierung in Peking an, dass die allgemein geltenden
Ferien für die Beschäftigten im Land über das laufende Neujahrsfest
um drei Tage bis einschließlich Sonntag verlängert werden.

In der Millionenmetropole Shanghai wurden Unternehmen am Montag sogar
dazu aufgefordert, noch einschließlich bis zum 9. Februar geschlossen
zu bleiben. Ausgeschlossen sind demnach Firmen, die existenzielle
Aufgaben für die Menschen übernehmen. Schulen und Kindergärten so
llen
in der ostchinesischen Stadt erst nach dem 17. Februar wieder
öffnen. 

Auch in der chinesischen Hauptstadt Peking sollen Schulen,
Universitäten und Kindergärten über das bislang geplante Ende der
Schulferien Mitte Februar hinaus geschlossen bleiben. Über die
Feiertage des chinesischen Neujahrsfest, das nach dem traditionellen
Mondkalender in der Nacht zum Samstag begangen worden war, sind
mehrere hundert Millionen Menschen in ihre Heimatdörfer gereist.

Viele Fabriken sind über das Neujahrsfest wochenlang geschlossen, um
den Mitarbeitern die Heimreise zum wichtigsten chinesischen
Familienfest zu ermöglichen. Es wird jetzt aber befürchtet, dass sich
das Virus bei der erwarteten Rückreisewelle vielleicht noch weiter
ausbreiten kann.