Optik-Erlebniswelt entsteht in Jena - Eröffnung Mitte 2023 geplant Von Andreas Hummel, dpa

Moderne Mikroskopie, Entspiegelung von Glas, Fluoreszenz: Jena steht
für Meilensteine in der optischen Forschung. Dabei ist eine Sammlung
entstanden, die ihresgleichen sucht. Mit Millionenaufwand soll aus
dem Fundus nun eine «interaktive Erlebniswelt» entstehen.

Jena (dpa/th) - Geht es um die Bedeutung Jenas für die optische
Forschung, ist Timo Mappes mit Beispielen nicht zu bremsen. «Wer
heute eine Brille trägt, nutzt mit hoher Sicherheit eine Entdeckung
aus Jena», erzählt der Professor für Geschichte der Physik. Gemeint
ist die Entspiegelung von Glas. Die Reihe lässt sich fortsetzen, etwa
mit der modernen Mikroskopie, dem Planetarium und der Entdeckung der
Fluoreszenz. «Wenn man global auf die Optik schaut, kommt man an Jena
nicht vorbei», sagt Mappes. Mit diesem Pfund wollen er und seine
Mitstreiter wuchern. Ihre Vision: Aus dem alten Optischen Museum in
der Stadt eine «interaktive Erlebniswelt» schaffen, die Besucher zum
Staunen bringt und wissenschaftlichen Austausch fördert.

Seit Sommer ist das Museum geschlossen, lediglich im Internet können
Interessierte bei einem virtuellen Rundgang historische Geräte etwa
zur Fotografie und Mikroskopie betrachten. Doch die Arbeiten an dem
Großprojekt laufen. Die Rede ist von insgesamt rund 31,5 Millionen
Euro, die das Vorhaben samt dem Neubau eines Verbindungsgebäudes zum
Volkshaus mit Saal für Proben und Kammerkonzerte der Philharmonie
kosten soll. Allein die Sanierung der Optikerschule aus den 1920er
Jahren, in der das Museum sein Quartier hat, soll rund 8 Millionen
Euro kosten. Für die Neukonzeption der Ausstellungen sind weitere
11,5 Millionen Euro vorgesehen, die Eröffnung für Mitte 2023 geplant.

Das Museum will dabei auch architektonisch ein Zeichen setzen. Dazu
werde von der Ernst-Abbe-Stiftung ein Ideenwettbewerb ausgerichtet,
an dem namhafte Architekturbüros beteiligt seien, erklärte
Museumsdirektor Mappes. Er erhoffe sich einen «Bilbao-Effekt» - dass
sich das neue Gebäude so wie das von Frank Gehry entworfene
Guggenheim-Museum im Norden Spaniens weithin einprägt und zum
beliebten Motiv für Selfies avanciert.

«Es ist einzigartig, was da entsteht», erklärt der Geschäftsführe
r
des Thüringer Museumsverbandes, Holger Nowak. «Das wird weit über die

Region hinaus ausstrahlen und unsere Museumslandschaft bereichern.»
Sein Verband erhofft sich deutlich mehr Aufmerksamkeit für das Thema
Glas, dem sich auch andere Museen im Freistaat widmen, etwa in
Lauscha und Gehlberg. Dazu solle ein Netzwerk entstehen. Profitieren
sollen andere Museen auch von den Erfahrungen der Jenaer Museumsleute
mit der Erfassung von Exponaten in 3D.

Die Arbeiten am Museum selbst werden wohl erst Mitte des Jahres
beginnen können. Dann soll es leergezogen sein. Derzeit wird alles
ausgeräumt und verpackt. Außerdem wird die Sammlung inventarisiert
und digital erfasst. Dazu gehört etwa eine mehr als 4000 Stücke
umfassende Kollektion von Brillen, darunter einige aus dem 17.
Jahrhundert, 1500 sogenannte Guckkastenbilder und rund 1200
Mikroskope. «Viele davon sind Meilensteine der Wissenschafts- und
Technikgeschichte», betont Mappes. Von rund 10 000 Objekten werden in
einem aufwendigen Verfahren gemeinsam mit der Universitäts- und
Landesbibliothek 360-Grad-Aufnahmen angefertigt.

Ziel der neuen Ausstellung soll es sein, optische Effekte erlebbar zu
machen und die Entwicklung einzelner Geräte und ihren Nutzen zu
veranschaulichen. Dabei wird es um Fata Morganen gehen, Lichtleiter
und die Funktionsweise von Gesichtserkennung moderner Handys - und
warum diese auch im Dunkeln funktioniert. Zudem plant Mappes eine Art
Schaufenster für neueste Forschungen in der Optik. «An mindestens
sechs Stationen sollen Forscher in wenigen Sätzen verständlich
aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren», erklärt er. «Das wird

eine Art intellektuelle Version der «Sendung mit der Maus».»

Für die Ausstellungsplanung erhält das Museum gut 1,2 Millionen Euro
aus der Tourismusförderung. Bei der Übergabe des Förderbescheids
informierte sich Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am
Donnerstag vor Ort. Das Projekt sei eine Chance, «als Schnittstelle
von Geschichte, Wissenschaft und innovativer Zukunft ein
einzigartiges Museum mit hoher Strahlkraft ins In- und Ausland zu
schaffen». Getragen wird das Deutsche Optische Museum von einer
gleichnamigen Stiftung, deren Stifter die Carl Zeiss AG, Stadt und
Universität Jena sowie die Stiftungen Ernst-Abbe und Carl-Zeiss sind.

Neben der Museumsarbeit soll das Haus mit seiner Sammlung künftig
auch als forschendes Museum von sich reden machen. Zudem soll es nach
Vorstellungen Mappes Fachpublikum und Geschäftsreisenden als Rahmen
spezieller Veranstaltungen wie «Walking Dinners» dienen, und ein
großes Schaudepot soll Interessierten Einblicke etwa in die Evolution
einzelner optischer Geräte ermöglichen. Denn bisher hätten nur etwa
12 Prozent der Sammlung öffentlich gezeigt werden können.