Operation «Mio»: Wie Impfungen in E-Patientenakten kommen sollen Von Sascha Meyer, dpa

Bei digitalen Gesundheits-Angeboten soll mehr Tempo her, so will es
der Minister. Doch was genau hätten die Patienten zum Beispiel von
E-Akten? Konkret wird das nun als Erstes beim wichtigen Thema Impfen.

Berlin (dpa) - Die Abkürzung erinnert wohl manche an ein Kinderbuch,
das geben auch die Kassenärzte zu. Doch «Mio mein Mio» heißt nicht

nur ein Klassiker von Astrid Lindgren. Die Buchstaben «Mio» stehen
auch für «Medizinische Informationsobjekte», von denen bald Millionen

Versicherte profitieren sollen. Ab Anfang 2021 sollen elektronische
Patientenakten als freiwilliges Angebot kommen. Und inzwischen nehmen
konkrete Inhalte Konturen an. Als Erstes sind jetzt Standards für den
digitalen Impfpass entwickelt worden, wie die damit beauftragte
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Mittwoch mitteilte.

KBV-Chef Andreas Gassen sagte in Berlin, diese Funktionen gäben eine
Ahnung davon, was Digitalisierung wirklich an Mehrwert für Patienten
und Ärzte bedeuten könne. Auf Wunsch der Versicherten können Angaben

zu Impfungen bald in eine E-Akte übertragen werden. Bisher sind sie
in einem gelben Heft vermerkt - doch wo ist das noch mal, wenn man es
braucht? Künftig sollen Mediziner und die Patienten digital sehen
können, wann und wo die letzte Tetanus-Immunisierung gemacht wurde.
Und das samt genauer Impfstoff-Charge, falls es zu Rückrufen kommt.

Auch Erinnerungshilfen soll es auf dem Monitor oder Handy geben, etwa
mit einem roten Balken und dem Hinweis «Diphterie-Impfschutz ist seit
2013 abgelaufen» oder «Influenza-Impfschutz läuft 2020 ab». Zentral
er
Punkt der neuen digitalen Standards ist dabei, dass sie einheitlich
sind. Und Praxen, Kliniken, Apotheken oder Notärzte sie untereinander
austauschen und auch interaktiv nutzen können. Die Akte solle eben
möglichst keine einfache Loseblatt-Sammlung im PDF-Format sein,
sondern echte Innovationen bringen, heißt es bei der KBV.

Die Operation ist aber keine Kleinigkeit. Denn bisher gibt es im
Gesundheitswesen je nach Softwarehersteller und Anwendung viele
verschiedene Dateiformate - etwa bei Blutwerten arbeiten manche
Praxen mit Prozent-Angaben, andere mit «Einheiten pro Millimeter».
Das große Ziel ist, solche Angaben zu normieren, die dann auch nicht
mehr verändert werden können. Inhalte müssten beim Austausch genauso

ankommen, wie sie einmal abgeschickt werden, erläutert Gassen.

Dazu sollen die «Mios» dienen: kleine Informationsbausteine, die nach
festen Kriterien einheitlich definiert und auch kombinierbar sind. So
ist zum Beispiel der digitale Impfpass an sich ein «Mio», das aber
wiederum aus einzelnen Detail-«Mios» besteht. Das sei wie bei den
Buchstaben des Alphabets, die sinnvolle Wort-Kombinationen ergeben,
erläutert die KBV. Und weil es im Gesundheitswesen verschiedene
Sprachen gibt, soll das Konzept der «Mios» so etwas wie eine
Übersetzungshilfe sein, aber mit festen Vokabeln und Grammatikregeln.

Mit der Datenstandardisierung in dieser Größenordnung sei Deutschland
auch international in einer Pionierrolle, heißt es bei der KBV. Zum
Impfpass-Konzept können Experten nun noch Hinweise abgeben, fix
gemacht werden soll der Standard dann voraussichtlich Mitte des
Jahres. Und weitere Funktionen sollen folgen: für Zahn-Bonushefte,
die gelben Hefte für U-Untersuchungen von Kindern und den Mutterpass.
Hierbei sind dann aber auch aufwendigere Festlegungen für Bilddateien
nötig wie zum Beispiel für Ultraschall-Aufnahmen.

Für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind alle diese
Vorbereitungen wichtig. Denn nach jahrelangem Gezerre um zusätzliche
Funktionen für die elektronische Gesundheitskarte will er bei der
Digitalisierung Tempo machen, damit Verbesserungsmöglichkeiten
konkret sichtbar werden. Bei der E-Akte stehen auch noch andere
Detailregelungen unter anderem zum Datenschutz aus. Nur noch digital
dürfte es aber auch beim Impfpass in Zukunft nicht zugehen, wie die
KBV erklärt. Bei Reisen um die Welt verlangten manche Länder weiter
einen Vermerk im gelben Impfheft mit amtlichem Stempel auf Papier.