Virusforscher: Neuer Erreger in China ist ein Sars-Virus

Nur ein kurzer Schreckmoment? Einiges deutet darauf hin, dass die
neue Lungenkrankheit in China rasch eingedämmt sein könnte. Das Virus
gehört zur selben Art wie ein altbekannter Erreger. Echte Gefahr
könnte aus anderer Richtung drohen.

Berlin (dpa) - Der in China kursierende neue Erreger ist dem Berliner
Virusforscher Christian Drosten zufolge ein Sars-Virus ähnlich dem
bei der Sars-Pandemie 2002/03. «Es ist dieselbe Virusart, nur in
einer anderen Variante», sagte der Direktor des Instituts für
Virologie an der Charité in Berlin. Unterschiede gebe es vor allem
bei den Proteinen, mit denen das Virus an menschliche Zellen andocke.
Bei der Sars-Pandemie waren von China ausgehend weltweit rund 8000
Fälle erfasst worden, mehr als 800 Menschen starben.

Dass ein zuvor unbekanntes Virus so wie das jetzige Ausbrüche beim
Menschen verursacht, kommt nach Einschätzung Drostens etwa alle zehn
Jahre vor. Für den neuen Erreger haben die chinesischen Behörden
bisher 41 nachgewiesene Erkrankungen gemeldet, mehrere Patienten sind
demnach in kritischem Zustand. Ein 61-Jähriger mit schweren
Vorerkrankungen soll an der Infektion gestorben sein. Zudem gibt es
Verdachtsfälle in Thailand, Südkorea und Singapur.

Diese seien allerdings mit Vorsicht zu beurteilen, selbst wenn eine
vermeintliche Laborbestätigung vorliege, sagte Drosten. Die
Aussagekraft der eingesetzten Tests sei unterschiedlich,
möglicherweise müssten Testergebnisse im Nachhinein revidiert werden.
Derzeit arbeitet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) demnach mit
den Ländern daran, einen einheitlichen diagnostischen Test
festzulegen.

Dass aus China seit einigen Tagen keine neuen Erkrankungen gemeldet
würden, gebe Anlass zu Hoffnung, so Drosten. Beruhigend sei aber vor
allem ein anderer Faktor: «Es gibt bisher keine Ärzte und kein
Pflegepersonal mit Symptomen.» Das sei ein guter Hinweis darauf, dass
das Virus nicht leicht übertragbar ist. Nach derzeitigem Wissen sorge
es für Fieber und Symptome einer Lungenentzündung. «Die oberen
Atemwege sind nicht betroffen, es gibt beispielsweise keinen
Schnupfen.» Von Lunge zu Lunge gelangt ein Erreger schwerer als etwa
mit den Tröpfchen beim Niesen.

Tatsächlich sei eine Übertragung von Mensch zu Mensch bisher noch
nicht bekannt geworden - was allerdings nicht bedeute, dass es sie
nicht geben kann. «Das Virus könnte zum Beispiel von Menschen
übertragen worden sein, die selbst symptomfrei geblieben sind.»

Als Ursprungsort der Krankheit gilt derzeit der Huanan-Markt in
Wuhan, einer 11-Millionen-Metropole in Zentralchina. «Auf solchen
Märkten herrscht oft großes Gedränge, Wildtiere werden dort lebend
oder ganz frisch geschlachtet verkauft», erklärte Drosten. Die
chinesischen Behörden haben demnach bereits eine Hypothese, von
welcher Tierart der Erreger auf den Menschen übergesprungen sein
könnte. «Das wird aber erst offiziell verkündet, wenn es als
gesichert gilt.» Beim Sars-Ausbruch 2002/03 gelten Schleichkatzen als
wahrscheinlichster Ursprung des Erregers. Sars steht für «Severe
Acute Respiratory Syndrome», also Schweres Akutes Atemwegssyndrom.

Das Sars-Virus der Pandemie sei inzwischen wahrscheinlich nur noch in
Tieren unterwegs, so Drosten. Ganz anders sehe die Situation bei Mers
(Middle East Respiratory Syndrome) aus, einer Atemwegserkrankung, die
durch ein verwandtes Virus hervorgerufen wird. Es gebe nach wie vor
immer neue Übertragungen des Erregers vom Kamel auf den Menschen, vor
allem in Saudi-Arabien. Bei den darauf folgenden kleineren
Krankenhausausbrüchen komme es zu Übertragungsketten von einem
Menschen zum nächsten. «Oft stecken sich nacheinander drei oder vier
Menschen an.» Das erhöhe das Risiko, dass das Virus sich besser an
den «Fehlwirt Mensch» anpasst und zum Epidemieauslöser reift. «Die

Übertragungsketten sind ein Experimentierfeld für das Virus.»