Sport und Show: Cheerleader wehren sich gegen Sexismus-Verdacht Von Christina Sticht, dpa

Nur Puschelwedeln und Popowackeln? Wer Cheerleading betreibt, wird
häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Seit dem Aus der Alba Dancers in
Berlin gibt es zudem eine Diskussion darüber, ob die Tanzakrobatik
als Pausenprogramm für Profisport noch zeitgemäß ist.

Vechta (dpa) - Sollten junge Frauen in knappen Glitzer-Outfits am
Spielfeldrand ihre Puschel schwenken und Männerteams anfeuern?
Vielleicht liegt es an US-High-School-Filmen, dass immer mehr Mädchen
in Deutschland davon träumen, Cheerleader zu werden. Über 20 000
Mitglieder zählt inzwischen allein die auf Wettkämpfe ausgerichtete
Cheerleading und Cheerperformance Vereinigung Deutschland. Wie viele
Gruppen als Show-Acts bei hochkarätigen Sportevents vom American
Football bis zum Handball auftreten, ist unklar.

Bei den Heimspielen von Basketball-Bundesligist Alba Berlin animieren
seit dieser Saison jedenfalls keine leicht bekleideten Tänzerinnen
mehr das Publikum. Das Auftreten junger Frauen als attraktive
Pausenfüller passe nicht mehr in unsere Zeit, hieß es zur Begründung.

Ist Cheerleading sexistisch? Das Aus der Berliner Alba Dancers hat
eine heftige Diskussion ausgelöst.

In der 30 000-Einwohner-Stadt Vechta im Nordwesten Niedersachsens ist
nicht nur der Verein Rasta Vechta bis in die Basketball Champions
League aufgestiegen, auch die anfeuernden Marleys sind inzwischen so
etwas wie lokale Prominenz. Beim Spiel gegen das türkische Team
Teksüt Badirma vor über 2000 Zuschauern bilden die langhaarigen
Frauen in goldenen Minikleidern ein Spalier, schwenken die Hüften und
strahlen die einlaufenden Basketball-Stars an.

Für Trainerin Helene Dolgow gehören erotische Bewegungen dazu. «Es
ist ein Sport in einem Show-Outfit wie beim Eiskunstlaufen. Ich sehe
nicht, dass wir uns zu Schauobjekten für Männer machen», sagt die 29

Jahre alte Steuerberaterin. «Wir tanzen nicht für die Männer, sondern

in erster Linie für uns. Es macht uns Spaß, das Publikum zu
animieren, die Frauen und die Männer.» Die Outfits - vier an diesem
Abend - sucht sich die Truppe selber aus, bezahlt werden sie von
einem eigenen Sponsor. Gage für die Auftritte gibt es nicht.

Die 15- bis 25-jährigen Marleys sind Hobby-Cheerleaderinnen und nach
eigener Darstellung auch Freundinnen. An diesem Abend präsentiert
sich zusätzlich ein Jugendteam mit noch jüngeren Mädchen. Die Gruppen

aus Vechta trainieren dreimal pro Woche, nehmen aber im Gegensatz zu
vielen anderen in Deutschland nicht an Wettkämpfen teil.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat Cheerleading als
Leistungssport anerkannt. «Wir halten weder die Darstellung noch die
Kleidung für sexistisch», betont DOSB-Sprecher Michael Schirp. Auch
bei der Rhythmischen Sportgymnastik oder beim Synchronschwimmen seien
körpernahe Outfits schon aus motorischen Gründen notwendig. Das
Problem liege allein im Auge des Betrachters.

Sportpsychologin Dorothee Alfermann, emeritierte Professorin der
Universität Leipzig, hat viel zu Geschlechterrollen geforscht.
Cheerleading müsse man differenziert betrachten, sagt sie. Auf der
einen Seite werden bestimmte Bilder transportiert, es gehe um die
Figur der attraktiven, schlanken, jungen Frau. Alfermann persönlich
mag Cheerleader in eher sportlichen Outfits lieber, die mehr Wert auf
die Akrobatik als auf das Glitzern legen. «Generell bin ich aber für
Vielfalt», betont sie.

Die Bright Delights Cheerleader des Bundesligisten EWE Baskets
Oldenburg haben auch junge Männer im Team. Ligakonkurrent BG
Göttingen hat keine eigenen Cheerleader, laut einer Sprecherin treten
bei den Heimspielen wechselnde Show-Gruppen auf, zum Beispiel
Seilspringer - Rope Skipping ist auch ein Wettkampfsport.

Gerade für die Hebefiguren wünschen sich die Marleys aus Vechta
männliche Unterstützung. «Wir hatten mal einen männlichen Akteur, d
er
hat eine Mechanikerausbildung gemacht», erzählt Trainerin Helene
Dolgow. Sie wisse nicht, warum er dann aufgegeben habe. «Männer sind
willkommen, aber im Moment traut sich keiner.»