Medikamenten-Engpässe vermeiden - Politik oder Produktion verlagern?

Lieferengpässe bei Medikamenten - das spüren viele Menschen jeden Tag
in der Apotheke. Nach Einschätzung von Boehringer ist die Politik
gefragt. Gesundheitsministerin Bätzing-Lichtenthäler sieht auch die
Pharmaunternehmen in der Pflicht.

Ingelheim/Mainz (dpa/lrs) - Nach Einschätzung der Deutschlandchefin
von Boehringer Ingelheim könnte die Politik den Lieferengpässen bei
Medikamenten entgegentreten. So könne etwa festgelegt werden, dass
Krankenkassen ihre Rabattverträge für Arzneimittel nicht nur mit
einem, sondern mit mehreren Herstellern schließen müssten, sagte
Sabine Nikolaus der Deutschen Presse-Agentur in Ingelheim. Es sei
auch denkbar, dass einer dieser Hersteller dann in Europa produzieren
müsse, um eine größere Liefersicherheit zu gewährleisten.

Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine
Bätzing-Lichtenthäler (SPD) erklärte: «Liefereinschränkungen bei

versorgungsrelevanten Arzneimitteln sind ein globales Problem, das
nicht auf Länderebene gelöst werden kann.» Die umfassende Produktion

namhafter rheinland-pfälzischer Pharmaunternehmen in Ingelheim und
Ludwigshafen zeige jedoch, dass eine regionale
Arzneimittelherstellung in Deutschland möglich ist.

Es mache keinen Sinn, Qualitätssicherung und Produktion von
Arzneimitteln nach Asien zu verlagern, wenn diese Prozesse mindestens
genauso gut - oder sogar vielfach besser - vor Ort gestaltet werden
könnten, sagte die Ministerin. Sie sehe auch die Pharmaunternehmen in
der Pflicht, «ihren Aufgaben zur bedarfsgerechten Versorgung
umfassend nachzukommen».

Zuletzt hatte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
(ABDA) hierzulande Lieferengpässe bei gängigen Arzneimitteln beklagt.
Diese kämen immer häufiger vor, es werde auch immer schwieriger,
Ersatzmedikamente für Patienten zu finden. Als einen Grund für die
Engpässe macht der Verband den globalisierten Markt aus.

Das sieht Nikolaus ähnlich. Ein Großteil der Pharmaproduktion finde
beispielsweise in Asien statt, sagte sie. Boehringer selbst
produziere vor allem in Europa, größtenteils in Deutschland, und habe
daher keine Probleme. «Auf dem deutschen Pharmamarkt insgesamt gibt
es aber Lieferengpässe.» Es sei problematisch, wenn Wirkstoffe nur
bei wenigen Produzenten entstünden. Wenn dann einer wegfalle, könne
gleich eine ganze Reihe an Pharmaunternehmen ein Medikament nicht
mehr herstellen. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sei der
Mangel an dem Wirkstoff Valsartan gewesen.

Nikolaus verwies auch auf die Importförderklausel im Gesetz für mehr
Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Diese führe indirekt auch
zu mehr Parallel-Importen. Dabei erwerben von Herstellern unabhängige
Firmen grob gesagt im Ausland Medikamente, die eigentlich für den
Markt dort bestimmt sind, und führen sie zum Beispiel nach
Deutschland ein. Auch das könne zu Engpässen führen, sagte Nikolaus.

«Durch politische Korrekturen könnte die Arzneimittelversorgung der
Deutschen verbessert werden.»