Von Kontrollen und Proben - Sieben Fakten zur Lebensmittelsicherheit Von Alexandra Stober, dpa

Alles möglichst günstig zu produzieren - das kann bei der Herstellung
von Lebensmitteln für den Verbraucher gefährlich werden. Dabei steht
die Lebensmittelsicherheit an erster Stelle und ist klar geregelt.

Berlin (dpa) - Gefährliche Keime in Frikadellen und anderen Fleisch-
und Wurstwaren: Seit etlichen Tagen sorgen Fälle von mit Listerien
verseuchten Lebensmitteln in Deutschland für Aufsehen. Wie können
Produkte in den Handel gelangen, die gesundheitsgefährdend sind?
Eigentlich sollte das in Deutschland nicht möglich sein. Es ist klar
definiert, wer die Sicherheit unserer Lebensmittel gewährleisten muss
und wer sie kontrolliert.

DIE RECHTLICHE LAGE

Wer Lebensmittel herstellt oder vertreibt, muss dafür sorgen, dass
diese unbedenklich verzehrt werden können. Die entsprechende
Basisverordnung der EU besagt: «Lebensmittel, die nicht sicher sind,
dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.» Als nicht sicher gelten
sie, wenn sie gesundheitsgefährdend oder aber grundsätzlich für den
menschlichen Verzehr ungeeignet sind. Auf Basis dieser EU-Verordnung
ist in Deutschland das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und
Futtermittelgesetzbuch (LFGB) entstanden. Darin ist festgelegt, wie
überwacht wird, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten
werden. Unternehmen müssen dokumentieren, woher ihre Lebensmittel
oder Rohstoffe kommen und an wen sie welche Chargen geliefert haben.

WER FÜR DIE KONTROLLEN ZUSTÄNDIG IST

In Deutschland sind die Bundesländer für die Lebensmittelüberwachung

zuständig. Grundsätzlich koordiniert das zuständige Landesministerium

die Überwachung, die auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte
stattfindet. Dort nehmen Lebensmittelkontrolleure für die zuständigen
Ämter vor Ort Proben und kontrollieren die Betriebe - und zwar alle,
die mit Lebensmitteln zu tun haben: Erzeuger, Hersteller, Beförderer,
Verkäufer und Gastronomen.

WER DIE KONTROLLEURE SIND

Lebensmittelkontrolleur kann werden, wer einen Abschluss als Meister
oder Techniker in einem Lebensmittelhandwerk oder ein Studium im
Bereich Lebensmitteltechnologie, Hygiene oder Ökotrophologie
abgeschlossen hat, so der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure.
Die Fortbildung zum Lebensmittelkontrolleur dauert zwei Jahre: sechs
Monate theoretischer Unterricht plus anderthalb Jahre praktische
Ausbildung. Dabei werden die angehenden Kontrolleure etwa in
rechtlichen Fragen, Lebensmittel- und Betriebshygiene,
Ernährungslehre und Mikrobiologie geschult.

SO (HÄUFIG) WIRD KONTROLLIERT

Die Lebensmittelkontrolleure überprüfen Betriebe unangekündigt. Sie
kontrollieren Personal, Arbeitsgeräte und Räumlichkeiten und prüfen,

ob die Vorschriften zur Hygiene und Desinfektion eingehalten werden.
Auch die vorgeschriebene Eigenkontrolle der Unternehmen wird
beurteilt. Die Kontrolleure nehmen - je nach Betrieb - Proben von
Lebensmitteln, Tieren, Futtermitteln, sie machen Abstriche an
Arbeitsgeräten oder Maschinen. Die Proben werden anschließend in
amtlichen Labors untersucht.

2018 wurden knapp 42 Prozent der rund 1,2 Millionen registrierten
Lebensmittel-Betriebe in Deutschland kontrolliert, so das Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Dabei gab es
bei knapp 13 Prozent der überprüften Betriebe Verstöße - die weitau
s
meisten im Bereich Hygiene. Prinzipiell werden Betriebe mit besonders
hohem Risiko wie etwa Schlachtereien, Fleischereien, Bäckereien und
Großküchen häufiger kontrolliert. Gleiches gilt für Betriebe, in
denen es bereits Beanstandungen gab.

WENN EINE GESUNDHEITSGEFAHR FESTGESTELLT WIRD

Sobald die Kontrollbehörde feststellt, dass ein Lebensmittel auf dem
Markt gesundheitsschädlich ist, informiert sie das betroffene
Unternehmen. Dieses muss die Öffentlichkeit unverzüglich warnen.
Diese Pflicht gilt auch, wenn die Firma bei eigenen Kontrollen merkt,
dass ein Lebensmittel nicht sicher ist. «Es gibt einen entsprechenden
gesetzlichen Artikel, und wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, muss
der Unternehmer selber die Öffentlichkeit informieren und eine
Rücknahme oder einen Rückruf anordnen», erklärt der Direktor der
Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der
Universität Bayreuth, Markus Möstl. Wenn der Unternehmer das nicht
oder nicht rechtzeitig tue, könne jedoch auch die zuständige Behörde

die Öffentlichkeit informieren. In der Regel veröffentlicht jedoch
das Unternehmen eine Pressemitteilung.

POTENZIELLE PROBLEME BEI DER LEBENSMITTELSICHERHEIT

Die Verbraucherschützer von Foodwatch finden die Struktur der
Lebensmittelüberwachung problematisch. «Die Behörden von Ländern un
d
Kommunen sind sowohl der Förderung der regionalen Wirtschaft und dem
Erhalt von Arbeitsplätzen verpflichtet als auch der Kontrolle der
Unternehmen - ein permanenter Interessenskonflikt, den es aufzulösen
gilt», so Oliver Huizinga von Foodwatch. Die Verbraucherschützer
fordern unabhängige Landesanstalten für die Überwachung, die für al
le
Betriebe eines Bundeslandes zuständig sein sollen.

Das Bundesernährungsministerium sieht kein Problem auf dieser Ebene:
«Die Forderung ist klar, die Rechtsvorschriften sind eindeutig: Der
gesundheitliche Verbraucherschutz hat Vorrang», sagt der Leiter der
Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, Bernhard Kühnle.
Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) hatte nach dem Treffen mit den
zuständigen Länder-Ministern Ende Oktober betont, Kontrollen und
Kontrolleure müssten unabhängig sein. Kühnle sieht einen anderen
möglichen Konflikt: «Strengste Maßnahmen im Bereich der
Lebensmittelsicherheit können dem Ziel, möglichst viel möglichst
schnell zu produzieren und möglichst viel Geld damit zu verdienen,
zuwiderlaufen.»

WAS VERBESSERT WERDEN SOLL

Ein Kommunikationssystem, in dem alle betroffenen Behörden umgehend
alle Daten und Informationen erhalten, die sie benötigen - das ist
das Ziel. «Anstatt früher Disketten oder jetzt E-Mails und
Exceltabellen durch die Lande zu schicken, soll alles in einer
zentralen Datenbank verwaltet werden, so dass jeder Zugriff auf die
ihn betreffenden Daten hat», erläutert Kühnle. Dazu hat es bereits
auf der Verbraucherschutzminister-Konferenz im Mai einen Beschluss
gegeben.

Außerdem sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, die Angaben zur
Herkunft und Auslieferung einer Charge in einem bestimmten Format zu
dokumentieren und jederzeit griffbereit zu haben - und nicht erst im
akuten Fall Lieferscheine durchforsten zu müssen. Stichwort:
Rückverfolgbarkeit.

Langfristig soll zudem die Sequenzierung des Genoms eines Erregers,
der in einem Lebensmittel gefunden wurde, zum Standard werden. Diese
kann mit Proben von erkrankten Menschen verglichen und so
festgestellt werden, ob es eben dieser Erreger ist, der die
Erkrankungen ausgelöst hat.