Mutmaßlich falsche Ärztin zeigte sich selbst wegen Betrugs an

Vier Menschen sterben unter Narkose in einer Klinik. Eine mutmaßlich
falsche Ärztin sitzt deswegen in Untersuchungshaft. Die Frau soll
sich mit gefälschten Unterlagen beworben haben - und informierte die
Behörden später selbst darüber.

Fritzlar/Frankfurt (dpa/lhe) - Die mutmaßlich falsche Ärztin aus
Nordhessen hat laut Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen sich
selbst in Rollen gebracht. Die Frau habe Selbstanzeige wegen
Anstellungsbetrugs gestellt, sagte Behördensprecher Götz Wied am
Montag in Kassel. Parallel sei aber auch eine Anzeige der
Landesärztekammer Hessen eingegangen. Die Frau sitzt in
Untersuchungshaft. Sie soll während ihrer Tätigkeit in einer Klinik
in Fritzlar (Schwalm-Eder-Kreis) vier Todesfälle zu verantworten
haben.

Anstellungsbetrug bedeutet, dass man für den Abschluss eines
Arbeitsvertrags falsche Angaben macht. Die Frau soll sich mit
gefälschter Arzt-Zulassung beworben haben. Dabei täuschte sie auch
die Landesärztekammer Hessen. Die Verdächtige hatte vor einigen
Jahren bei der Anmeldung als neues Kammermitglied eine angebliche
Zulassung vorgelegt. «Uns ist nicht aufgefallen, dass die Unterlagen
gefälscht sind», sagte eine Sprecherin der Kammer dem Sender Hit
Radio FFH.

Mit Hilfe digitaler Anwendungen könnten Zeugnisse immer häufiger so
gut gefälscht werden, dass sie von Originalen nicht oder so gut wie
nicht unterscheidbar seien, sagte die Sprecherin der dpa. Das sei
auch im Fall der Ärztin so gewesen. Der Ärztekammer zufolge war im
Oktober 2018 aufgefallen, dass die angeblich in Rheinland-Pfalz
ausgestellte Zulassungsurkunde nicht echt sein konnte. «Eine Annahme,
die sich nach Prüfung durch die Approbationsbehörde in
Rheinland-Pfalz als zutreffend erwies.» Am 19. November 2018 habe die
Landesärztekammer Hessen Strafanzeige gestellt.

Aufgeflogen war die mutmaßliche Betrügerin bei einem
Mitgliedschaftswechsel der Ärztekammer von Hessen nach
Schleswig-Holstein. «Einem Mitarbeiter der Ärztekammer
Schleswig-Holstein sind im Zuge der Überprüfung der eingereichten
Approbationsurkunde Unstimmigkeiten aufgefallen», erklärte ein
Sprecher der Kammer in Bad Segeberg. Nach Rücksprache mit der
Behörde, die die Zulassung angeblich ausgestellt hatte, sei die
Fälschung erkannt und die Landesärztekammer Hessen informiert worden.

Angesichts der neuen Details bekräftigte die Deutsche Stiftung
Patientenschutz ihre Forderung nach einer Reform des bisherigen
Kontrollsystems: Um es Tätern im Vorfeld schwer zu machen, sollten
die entsprechenden Prüfungsämter einbezogen werden und vor
Ausstellung der Approbation die Echtheit des Staatsexamens
bestätigen. Zudem brauche es ein Zentralregister bei der
Bundesärztekammer und eine Pflicht für Krankenhausträger, dort die
Zulassungen von Ärzten abzufragen.

Die 48-Jährige hatte von 2015 bis 2018 in der Klinik Hospital zum
Heiligen Geist in Fritzlar als Assistenzärztin gearbeitet. Sie soll
ohne entsprechende Ausbildung Patienten betäubt haben. Vier starben,
in acht weiteren Fällen sollen Gesundheitsschäden eingetreten sein.
Ob es weitere Opfer gibt, prüfen die Behörden. Staatsanwaltschaft und
Polizei ermitteln unter anderem wegen des Verdachts des Totschlags,
gefährlicher Körperverletzung, Urkundenfälschung, Betrugs und des
Missbrauchs von Titeln.

Die Verdächtige war auch in anderen medizinischen Einrichtungen
tätig: In Nordhessen arbeitete sie zeitweise für den
Gesundheitsdienstleister Vitos - aber nur als freie Dozentin in einer
Schule für Gesundheitsberufe, sagte eine Vitos-Sprecherin. Sie habe
dort als Biologin Anatomie unterrichtet.

Laut Staatsanwaltschaft arbeitete die Verdächtige zudem nach ihrer
Tätigkeit in Nordhessen in Schleswig-Holstein. Sie sei für rund zwei
Monate in einer Reha-Klinik im Landkreis Plön tätig gewesen. «Ihre
Tätigkeit beschränkte sich nach hiesigen Erkenntnissen auf den
Reha-Bereich, das heißt Verschreiben von entsprechenden Anwendungen
und ähnliches», sagte Götz Wied. Hinweise für eine Beteiligung an
Operationen bestünden nicht. Doch auch dort soll sie sich die
Anstellung mit falschen Angaben erschlichen haben.

Die Ermittler hatten am Freitag ein Telefon für Hinweise und mögliche
weitere Geschädigte eingerichtet. Dort gingen bis Montag 18 Hinweise
ein. Es handele sich aber hauptsächlich nicht um weitere potenzielle
Geschädigte, sondern um mögliche weitere Zeugen, sagte ein
Polizeisprecher in Homberg.