Forschungsgemeinschaft sperrt Hirnforscher Birbaumer nach Vorwürfen

Der bekannte Tübinger Hirnforscher Niels Birbaumer hat Daten
gefälscht, um in einer Studie bahnbrechende Ergebnisse zu erzielen.
Das meint zumindest die Deutsche Forschungsgemeinschaft und sperrt
ihn. Birbaumer räumt das Verhalten zwar ein, hat aber eine Erklärung.

Bonn/Tübingen (dpa) - Als «Gedankenleser»» wurde der renommierte
Hirnforscher Niels Birbaumer nach seinen aufsehenerregenden Studien
schon gefeiert. Nun holt ihn der Vorwurf der Datenfälschung ein. Für
fünf Jahre schließt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den
Tübinger Psychologen und Neurowissenschaftler aus. Dem 74-Jährigen
wird ebenso wie seinem Mitarbeiter wissenschaftliches Fehlverhalten
im Zusammenhang mit einer Studie über die Kommunikation mit gelähmten
Patienten vorgeworfen. Birbaumer darf fünf Jahre lang keine Anträge
bei der DFG stellen und nicht mehr als Gutachter arbeiten, sein
Mitarbeiter muss drei Jahre aussetzen, wie die DFG am Donnerstag in
Bonn mitteilte.

Birbaumers Forschungen hatten als Sensation gegolten: Mit einer
Forschergruppe hatte er 2014 Untersuchungen an Patienten mit der
Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) durchgeführt. Die
vollständig gelähmten und sprachunfähigen Menschen sollten Fragen in

Gedanken beantworten, während die Wissenschaftler mit einer Kopfhaube
und Computern ihre Hirnaktivität maßen. Laut Birbaumer ist auf diese
Weise eine Kommunikation möglich. Die Ergebnisse veröffentlichte er
im Fachmagazin «Plos Biology».  

Einen ersten Hinweis auf mögliche Fehler in der Studie gab ein
Postdoktorand bereits 2018. Mehrere Untersuchungen konnten die
Vorwürfe gegen die Studie nicht entkräften, unter anderem prüfte eine

Kommission der Universität Tübingen die Vorwürfe und attestierte
Birbaumer Datenverfälschung. Die DFG leitete gesonderte
Untersuchungen ein, weil sie Birbaumers Studie mit Fördergeldern
unterstützt hat.

Nach diesen DFG-Untersuchungen haben die beiden kritisierten
Wissenschaftler die Tests mit ihren Patienten nur unvollständig per
Video aufgezeichnet. Zudem wurden Daten einzelner Patienten nur
summarisch und nicht aufgeschlüsselt ausgewertet. Insgesamt sei damit
eine Datentiefe vermittelt worden, die es de facto nicht gegeben
habe.

Birbaumer selbst hatte seine Forschungen stets verteidigt und die
Vorwürfe zurückgewiesen. Am Donnerstag räumte er «Unzulänglichkei
ten
bei der Publikation» ein. Die Untersuchungen der schwer kranken
Menschen hätten immer wieder unterbrochen werden müssen, weil der
Zustand der Patienten dies erfordert habe. «Darum haben wir Daten,
die wir erhoben haben, aber aufgrund von Störungen als nicht
auswertbar deklarieren mussten, nicht mit der Publikation
übermittelt», heißt es in einer Erklärung Birbaumers. Auch sei nich
t
jeder Schritt der Datenauswertung beschrieben und durch begleitende
Videoaufnahmen dokumentiert worden.

Der Tübinger steht aber nach wie vor zu den Ergebnissen seiner
Untersuchungen: Es sei möglich, mit Patienten zu kommunizieren, die
aufgrund ihrer fortgeschrittenen Nervenerkrankung vollständig gelähmt
seien und als «komplett eingeschlossen» gälten, sagte er.