Therapeut soll Mädchen schwer missbraucht haben - Aussage ankündigt Von Florentine Dame, dpa

Seine Stellung als Therapeut soll er schamlos ausgenutzt haben: Einem
Heilpraktiker wirft die Staatsanwaltschaft schweren sexuellen
Missbrauch von jungen Mädchen vor. Seine Patientinnen machte er laut
Anklage glauben, das gehöre zur Therapie.

Bielefeld (dpa/lnw) - Die Mädchen kamen zu ihm, weil sie sich seine
Hilfe als Physiotherapeut erhofften, doch dann soll er sie immer
wieder schwer sexuell missbraucht haben. Nun steht der 61-Jährige aus
Bad Oeynhausen vor dem Landgericht Bielefeld - wegen schwerem
sexuellen Kindesmissbrauch in einer Vielzahl von Fällen. Mitangeklagt
ist seine Ehefrau, die von seinen Vorlieben gewusst und ihm geholfen
haben soll. Schon am ersten Verhandlungstag deutete sich jedoch an,
dass der Angeklagte offenbar eine andere Sicht auf die Vorwürfe hat.

Der Fall war im April 2019 bekannt geworden. Wie schon nach
Polizeipannen im Missbrauchsfall von Lügde hatte NRW-Innenminister
Herbert Reul (CDU) auch bei den Ermittlungen in Bad Oeynhausen
Polizeifehler eingeräumt. So waren die Ermittlungen nur mit
erheblichen Verzögerungen vorangekommen. Erst 16 Monate nach dem
ersten Hinweis hatte es bei dem Heilpraktiker eine Durchsuchung
gegeben.

Das Gesicht verborgen hinter einem Aktendeckel betrat der 61-Jährige
an diesem Donnerstag den Gerichtssaal und nahm neben seiner Ehefrau
und ihrem Anwalt Platz. Was die Staatsanwältin bei der Verlesung
ihrer Anklage vortrug, war eine lange Liste von Vorwürfen: Insgesamt
44 Taten legt sie ihm zur Last, darunter 37 Mal schwerer sexueller
Kindesmissbrauch. Acht Opfer listet die Anklage auf, junge Mädchen
die zum Tatzeitpunkt zwischen sechs und zwölf Jahren alt waren.

Er habe die körperliche Nähe als Therapeut ausgenutzt, um unter dem
Deckmantel einer ordnungsgemäßen Behandlung sexuelle Handlungen
vorzunehmen, warf ihm die Staatsanwältin vor. Er soll die Mädchen an
die Brust gefasst oder sie schmerzhaft gekitzelt und gegen ihren
Willen auf die Behandlungsliege gedrückt haben. Immer wieder soll er
auch mit dem Finger in sie eingedrungen oder sie im Schambereich
angefasst haben. Als ein Mädchen verunsichert nachfragte, gab er an,
das gehöre zur Behandlung.

Außerdem soll er die Mädchen fotografiert haben, nackt, mit
gespreizten Beinen. Solche und Tausende weitere Bilder und Videos
hatten Polizisten bei ihm sichergestellt: Die Dateien zeigen immer
wieder geschminkte, unbekleidete Mädchen in «unnatürlich
geschlechtsbetonter Pose», wie die Staatsanwältin es nennt.
Beschlagnahmt wurden auch Filmchen, die zeigen wie Kinder
vergewaltigt werden.

Seiner Frau seien seine sexuellen Vorlieben bekannt gewesen, so die
Anklägerin. Mehr noch: Sie habe ihrem Mann geholfen, in dem sie dafür

sorgte, dass er mit den Mädchen allein sein konnte. Die gelernte
Kinderkrankenschwester und spätere Rezeptionistin in der
Heilpraktiker-Praxis ihre Mannes soll den Mädchen auch erklärt haben,
dass die Übergriffe zur Behandlungsweise gehörten.

Dass - so deutet sich bereits am ersten Verhandlungstag an - könnte
auch die Argumentation sein, die das Ehepaar auch im Prozess an den
Tag legen wird: Für den übernächsten Verhandlungstag am 7. Oktober

kündigte die Verteidigerin des Angeklagten eine schriftliche Aussage
an. Diese werde allerdings nicht geständig sein, sondern eher
«erläuternd, erklärend». Ihr Mandant wolle etwas zu seiner
«speziellen manuellen Therapie» sagen.

Auch einen Satz besonderer medizinischer Gerätschaften, die dabei zur
Anwendung gekommen seien, hatten sie dem Gericht zur Ansicht
mitgebracht. Der Vorsitzende Richter kündigte daher an, einen
Physiotherapeuten als Sachverständigen dazuladen zu wollen. In dem
Verfahren sind bislang 14 weitere Termine bis Anfang Dezember
vorgesehen.