Digitaler Arztbesuch kommt bei Telemedizin-Projekt gut an Von Simon Ribnitzky, dpa

Statt in der Praxis einfach über ein Tablet in der Wohnung mit dem
Arzt sprechen: Gerade für ältere Menschen verspricht das
Erleichterung. Ein Projekt in Halle soll zeigen, wie das funktioniert
- und was sonst noch möglich ist.

Halle (dpa/sa) - Digitale Arztbesuche können das Sicherheitsgefühl
von Senioren in ihrer Wohnung erhöhen - zu diesem Schluss kommt ein
Telemedizin-Projekt der Halleschen Wohnungsgenossenschaft Freiheit.
94 Prozent der Probanden bewerteten das digitale Arztgespräch als
sehr gut oder gut, wie die Genossenschaft am Freitag mitteilte. 90
Prozent der Teilnehmer gaben demnach an, sich durch die Möglichkeit
der Telemedizin sicherer zu fühlen.

Für das Projekt «Haendel II» waren 20 Wohnungen mit entsprechender
Technik ausgerüstet worden. Die Bewohner konnten via Tablet-Computer
einen Arzt erreichen. Auf diese Weise wurden den Angaben zufolge 80
Televisiten durchgeführt. Zudem wurden die Wohnungen mit Sensoren
ausgestattet, um kritische Situationen erkennen zu können. So melden
die Sensoren zum Beispiel, wenn der Bewohner nachts für längere Zeit
das Bett oder gar die Wohnung verlässt.

Auch ein nicht ausgeschalteter Herd oder ein lange Zeit offen
stehendes Fenster könnten Anhaltspunkte sein, dass in der Wohnung
etwas nicht in Ordnung sei, erläuterte Vorstandssprecher Dirk
Neumann. «Die Technik kann dann zum Beispiel einen Angehörigen
benachrichtigen.» Das Projekt zeige, dass die Technik Vorteile für
alle Seiten bringe, sagte Neumann. Senioren könnten länger in ihrer
Wohnung bleiben, Ärzte würden entlastet. Und auch die
Wohnungsgenossenschaft habe etwas davon, schließlich bezahlten die
Bewohner länger ihre Miete.

Für Neumann zeigt das Projekt, für das Ministerpräsident Reiner
Haseloff (CDU) die Schirmherrschaft übernommen hatte, zudem, dass die
technischen Möglichkeiten der Telemedizin ausgereift und
einsatzbereit sind. Er will das Projekt deshalb fortsetzen und dabei
noch einen Schritt weitergehen: Der Arzt könnte nach dem Gespräch via
Tablet gleich ein elektronisches Rezept schicken - als QR-Code aufs
Handy des Bewohners. Der kann damit zur Apotheke gehen und sich das
Medikament abholen.

Telemedizin in Deutschland steckt allerdings nach wie vor in den
Kinderschuhen, auch wenn der Deutsche Ärztetag 2018 den Weg ebnete,
indem er das Fernbehandlungsverbot lockerte. Zuvor durften Ärzte
ihnen unbekannte Patienten nur persönlich beraten. Experten erhoffen
sich viel von Telemedizin - gerade wegen des Ärztemangels auf dem
Land.

Auch bei einigen Verbrauchern stößt die Idee auf Zustimmung: 87
Prozent unterstützen Online-Diagnosen zumindest in leichten
Krankheitsfällen, heißt es in einer aktuellen Umfrage der
Beratungsgesellschaft BCG unter 1000 Versicherten.