Patientenschützer: Schleppende Umsetzung von mehr Pflegestellen

Im Kampf gegen die Personalnot in der Pflege liegt inzwischen Geld
für einige Tausend zusätzliche Stellen bereit. Doch Patientenschützer

monieren, dass die Pläne der Koalition nicht recht in Gang kommen.

Berlin (dpa) - Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat eine
schleppende Umsetzung des Programms für mehr Stellen in der
Altenpflege kritisiert. «Zusätzliches Geld schafft bisher keine
zusätzlichen Pflegekräfte», sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen

Presse-Agentur. Er verwies auf eigene Informationen, wonach weniger
als eine Million Euro ausgezahlt worden seien. Das sei desaströs. Das
Programm habe damit bisher weniger als 100 Stellen extra gebracht.

Das von der großen Koalition beschlossene Gesetz für mehr Personal in
der Pflege ist am 1. Januar in Kraft getreten. Möglich ist damit die
Finanzierung von 13 000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege durch
die gesetzlichen Krankenkassen - mit veranschlagten jährlichen Kosten
von 640 Millionen Euro. Wie viele neue Stellen Pflegeheime konkret
bekommen können, hängt von ihrer Größe ab. Außerdem sollen die Ka
ssen
auch in Kliniken jede aufgestockte Pflegestelle komplett bezahlen.

Brysch sagte, das Kernproblem werde offenkundig. «Schon jetzt gibt es
nicht genug ausgebildete Pflegefachkräfte.» Viele Heime seien nicht
einmal in der Lage, die Mindestquote von 50 Prozent Fachkräften zu
erfüllen - dies sei aber Voraussetzung, um zusätzliches Personal
beantragen zu können. «An dieser Quote darf nicht gerüttelt werden.
Denn nur so ist ein Mindestmaß an Qualität möglich», forderte Brysc
h.

Auch das ARD-Magazin «Fakt» hatte kürzlich über eine schleppende
Umsetzung des Programms berichtet. Demnach seien bisher 2300 Stellen
beantragt, die Anträge würden von den Kassen aber noch geprüft.

Die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Westig,
nannte die Kritik der Deutschen Stiftung Patientenschutz berechtigt:
«Das Sofortprogramm Pflege von Gesundheitsminister Spahn bleibt leere
Symbolpolitik, weil Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen», sagte
sie der dpa. «Deshalb müssen die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen
in der Pflege dringend verbessert und mehr Pflegekräfte durch ein
echtes Einwanderungsgesetz mit Punktesystem angeworben werden.»

Um mehr dringend gesuchte Pflegekräfte zu gewinnen, sollen nach
Plänen der Bundesregierung Arbeitsbedingungen auf breiter Front
verbessert werden - etwa durch höhere Löhne, weniger Belastungen und
mehr Azubis. Angestrebt wird, dass möglichst in der gesamten
Pflegebranche künftig Tariflöhne gezahlt werden. Gelingt dies nicht,
sollen die geltenden Mindestlöhne in der Pflege angehoben und in Ost
und West vereinheitlicht werden.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil
und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) hatten im Juni
ein Maßnahmenpaket mit zahlreichen Branchenakteuren vereinbart. Die
Finanzierung ist aber noch offen. Das Gesetz soll im Herbst vom
Bundestag verabschiedet werden.

Patientenschützer Brysch betonte, ohne anständige Löhne werde es eine

Anziehungskraft für mehr ausgebildete Pflegefachkräfte nicht geben.
In der Alten- und Krankenpflege arbeiten rund 1,6 Millionen Menschen,
fast 40 000 Stellen sind aber unbesetzt - und der Bedarf wächst.

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus,
forderte derweil die Länder zu mehr Investitionen in Pflegeheime auf.
«Die Länder müssen endlich ihre gesetzliche Verantwortung ernst
nehmen und ausreichend in den Heimausbau investieren», sagte er dem
«Handelsblatt». Dem Bericht zufolge mussten nach Angaben des
Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
Heimbewohner in den vergangenen zehn Jahren insgesamt rund 39
Milliarden Euro zu den Investitionskosten beisteuern, um den
fehlenden Länderanteil auszugleichen.