BGH bestätigt Freisprüche zweier Ärzte in Sterbehilfe-Fällen

Wie weit reicht der Patientenwille bei einem Suizidversuch? Und wozu
sind Ärzte bei der Sterbebegleitung verpflichtet? Der
Bundesgerichtshof hat dazu ein Grundsatzurteil gesprochen.

Leipzig (dpa) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Freisprüche
zweier Ärzte in Sterbehilfe-Fällen bestätigt. Die Mediziner seien
nicht verpflichtet gewesen, den Patientinnen nach deren Suizidversuch
das Leben zu retten. Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig bestätigte
damit am Mittwoch vorherige Urteile der Landgerichte in Berlin und
Hamburg. Diese hatten jeweils entschieden, dass der Patientenwille zu
achten sei. Der BGH lockerte mit seiner Entscheidung eine alte
Rechtsprechung zum Umgang von Ärzten mit sterbewilligen Patienten.
(Az.: 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18)

In dem Hamburger Fall ging es um zwei ältere Damen über 80, die 2012
ihr Leben beenden wollten. Diesen Willen hatten sie vorab fest
bekundet. De Arzt war dabei, als sie eine tödliche Medikamentendosis
einnahmen und begleitete ihr Sterben. Maßnahmen zur Rettung ergriff
er nicht. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn deswegen wegen eines
Tötungsdelikts angeklagt.

Außerdem ging es um eine chronisch kranke 44-Jährige aus Berlin, die
2013 ihr Leben ebenfalls beendete. Ihr heute 70 Jahre alter Hausarzt
hatte ihr ein starkes Schlafmittel verschrieben. Davon nahm sie eine
mehrfach tödliche Dosis. Dann informierte sie den Arzt, der nach der
komatösen Frau sah, aber keine Rettungsmaßnahmen ergriff. Die
Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen Tötung auf Verlangen an.

Die Landgerichte in Berlin und Hamburg sprachen die Mediziner jeweils
von den Vorwürfen frei. Es sei der klare Wille der Patienten gewesen,
ihr Leben zu beenden. Dieser Wille sei zu respektieren, so die
Gerichte. Gegen die Freisprüche hatten die Staatsanwaltschaften
Revision eingelegt.

Die Vertreter der Generalbundesanwaltschaft hatten in der Verhandlung
vorm BGH beantragt, dass die Revisionen verworfen werden. «Insgesamt
halte ich eine vorsichtige Kurskorrektur für angebracht», sagte
Michael Schaper von der Generalbundesanwaltschaft mit Blick auf die
bisherige Rechtsprechung des BGH.

1984 hatte das Bundesgericht im sogenannten Peterl»-Urteil
entschieden, dass Ärzte sich unter Umständen doch strafbar machen,
wenn sie bewusstlose Patienten nicht zu retten versuchen. Ein
Hausarzt hatte damals eine Frau nicht gerettet, die sich aus freien
Stücken umbringen wollte. Der BGH sprach den Arzt zwar frei,
allerdings nur, weil die Frau nur mit schweren Schäden wieder ins
Leben geholt hätte werden können.

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt. Seit 2015 gilt
zudem das Verbot der «geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötu
ng».
Dieses zielt auf Sterbehilfe als Geschäftsmodell organisierter
Vereine. Gegen das Verbot haben schwerkranke Menschen, Ärzte und
Sterbehilfe-Vereine beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Eine
Entscheidung in Karlsruhe wird im Herbst erwartet.