Unterdrückte Gewerkschaften? Verdi im Clinch mit Fresenius Von Alexander Sturm, dpa und Tanja Vedder, dpa-AFX

Gewerkschaftsverbände und Verdi werfen Fresenius vor, in den USA mit
externen Beratern gegen Arbeitnehmervertretungen vorzugehen. Dort
suche die Dialysetochter FMC auch Personal-Manager mit der Aufgabe,
Gewerkschaften zu vermeiden. Der Konzern wehrt sich.

Frankfurt/Main (dpa) - Internationale Gewerkschaftsverbände und Verdi
werfen dem Medizinkonzern Fresenius vor, in den USA Gewerkschaften
systematisch zu unterdrücken. In Dialysekliniken der Tochter
Fresenius Medical Care (FMC) in Kalifornien seien Mitarbeiter unter
Druck gesetzt worden, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren
wollten, sagten David Boys und Alke Bössinger von den Dachverbänden
PSI und UNI Global Union der dpa. «Es wurde mit Kündigung gedroht und
Beschäftigte wurden in Einzelgesprächen in geschlossenen Räumen davor

gewarnt, gewerkschaftlich aktiv zu werden.»

FMC habe in den USA externe Berater beauftragt, um in Betrieben
Arbeitnehmervertretungen zu verhindern, sagte Cass Gualvez von der
Gewerkschaft SEIU-UHW. Die Firmen hätten sich in Kliniken
eingerichtet. «Sie fragen Mitarbeiter, warum sie eine Gewerkschaft
gründen wollen und behaupten, gewerkschaftlich organisierte Kliniken
müssten geschlossen werden.» Die Organisationen werfen FMC auch vor,
in Stellenanzeigen nach Personalmanagern zu suchen, zu deren Aufgabe
die «Vermeidung von Gewerkschaften» zähle («Union Avoidance»).

Fresenius wies den Vorwurf des «Union Busting», die systematische
Unterdrückung von Gewerkschaften, «entschieden» zurück. «Freseniu
s,
einschließlich Fresenius Medical Care in den USA, respektiert die
Vereinigungsfreiheit und erkennt das Recht eines jeden Arbeitnehmers
auf Kollektiv-Verhandlungen an», hieß es in einer Stellungnahme.

Die Mitarbeiter könnten in Übereinstimmung mit den geltenden lokalen
Gesetzen Gewerkschaften beitreten, sich vertreten lassen und
Tarifverhandlungen führen, betonte der Dax-Konzern. Man toleriere
keine Benachteiligung von Mitarbeitern, die sich an einer
rechtmäßigen Gewerkschaftsorganisation beteiligten. «Meldungen über

Verstöße gegen anwendbare Arbeits- und Sozialstandards nehmen wir
ernst und gehen entsprechenden Hinweisen nach.»

Global Union, PSI und Verdi kämpfen derzeit für eine globale
Rahmenvereinbarung mit Fresenius, die in allen Betrieben grundlegende
Rechte für Betriebe und Gewerkschaften garantiere. Ende März seien
sie auf Fresenius zugegangen. Anfang Mai habe es dazu zwei Schreiben
gegeben, aber bisher kein weiteres Entgegenkommen. Fresenius
erklärte, mit den Gewerkschaftsorganisationen stehe man im Dialog.

Fresenius mit rund 280 000 Mitarbeitern weltweit betreibt
Privatkliniken, verkauft Flüssigmedizin wie Infusionen und versorgt
mit der Tochter FMC Nierenpatienten. An FMC hält Fresenius gut 30
Prozent der Anteile. Der erfolgsverwöhnte Dax-Konzern erzielte 2018
33,5 Milliarden Euro Umsatz, einen großen Teil davon in den USA.

Gerade das Agieren in Amerika steht in der Kritik der Gewerkschaften.
In einer Ausschreibung von FMC für einen Manager im Personalwesen in
Knoxville heiße es etwa, er könne «Aktivitäten zur Vermeidung von
Gewerkschaften» wie Trainings unterstützen. In anderen
Stellenanzeigen für Personal-Manager in Atlanta und Charlotte ist
davon die Rede, er oder sie könne andere Manager anleiten,
Gewerkschaften zu vermeiden. Die Jobgesuche von FMC liegen dpa vor.

Fresenius habe über Jahre Berater engagiert, um Gewerkschaften zu
verhindern, berichten die Arbeitnehmervertretungen. Darunter sei die
US-Firma Cruz & Associates, zu deren Diensten es nach eigenen Angaben
gehört, «schnell und effektiv auf Aktivitäten von Gewerkschaften zu
antworten». Aus offiziellen Unterlagen gehe hervor, dass Fresenius
mindestens 410 000 Dollar an Berater bezahlt habe, um Fortschritte
bei der Gewerkschaftsorganisation zu beeinflussen.

Fresenius verwies auf das US-Arbeitsrecht. Dort sei es Arbeitgebern
«ausdrücklich gestattet und üblich, die eigenen Mitarbeiter aktiv
über gewerkschaftsbezogene Themen zu informieren». FMC nutze
«Fachwissen von Experten - in den eigenen Personalabteilungen und
teils auch von Beratern, die mit den durchaus komplexen Arbeits- und
Gewerkschaftsgesetzen in den USA vertraut sind». Das sei dort gängige
und legitime Praxis auch bei vielen anderen Unternehmen.

Fresenius agiere in den USA legal oder bewege sich im Graubereich,
meint Michael Dehmlow, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. «Es ist aber
unwürdig für einen deutschen Dax-Konzern». Die Gewerkschaftsverbänd
e
prangern ebenfalls Tarifumgehungen bei der Kliniktochter Helios an.
In Peru und Spanien seien geltende Verträge nicht eingehalten worden,
heißt es. Fresenius habe die tariflich vereinbarte Bezahlung von
Überstunden und Nachtzuschlägen verweigert, monieren sie.

Fresenius wies auch das zurück. Die Arbeitsverträge entsprächen den
jeweils geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften. In Peru habe es
2014, 2015 und 2018 Betriebsprüfungen gegeben durch das zuständige
Ministerium, die allesamt ohne Beanstandungen abgeschlossen wurden.
«Dass Überstunden und Zuschläge nicht bezahlt worden seien, können

wir so pauschal ebenfalls nicht bestätigen». Die Vorwürfe mit Blick
auf Spanien seien «gänzlich neu und für uns nicht nachvollziehbar».


Die Gewerkschaftsverbände in den USA fechten schon länger mit großem

Einsatz für bessere Bedingungen im Gesundheitssystem. In Kalifornien
hatten sie 2018 ein Volksbegehren initiiert, um Dialyse-Anbieter wie
FMC zu zwingen, bestimmte kostenüberschreitende Einnahmen direkt an
Nierenpatienten oder deren Versicherer zurückzuzahlen. Unternehmen
wie Fresenius Medical Care hatten sich massiv dagegen gewehrt. Die
Wähler lehnten das Volksbegehren im vergangenen November ab.