Regierung will bessere Bezahlung von Pflegekräften durchsetzen

Die Familienministerin formulierte es zum Auftakt so: «Es muss cool
werden, Pflegekraft zu sein.» Nach mehrmonatigen Beratungen in einem
großen Dialogprozess sollen dafür jetzt Ideen auf den Tisch kommen.

Berlin (dpa) - Im Kampf gegen die Personalnot in der Pflege will die
Bundesregierung eine bessere Bezahlung durchsetzen, um zu mehr
Fachkräften zu kommen. Familienministerin Franziska Giffey (SPD),
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) wollen am Dienstag daneben weitere Vorschläge der
«Konzertierten Aktion Pflege» vorstellen, die sie vor knapp einem
Jahr gestartet hatten. Daran beteiligten sich Arbeitgeber und
Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Krankenkassen. Es
geht etwa um attraktivere Arbeitsbedingungen und mehr Ausbildung.

Für eine bessere Bezahlung von Fachkräften in der Altenpflege sollten
zwei Wege eröffnet werden, sagte Heil am Montagabend in der
ARD-Sendung «Hart aber fair». So solle es einfacher ermöglicht
werden, einen ausgehandelten Tarifvertrag für die ganze Branche für
allgemeinverbindlich zu erklären. Ob es dazu komme, liege an
Arbeitgebern und Gewerkschaften. Passiere dies nicht, solle ein
anderer Weg gegangen werden. Dann sollten Lohnuntergrenzen nicht nur
für Hilfskräfte eingeführt werden, sondern auch für Fachkräfte. G
egen
bundesweit festgelegte Löhne gibt es Widerstand privater Anbieter.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte verbindliche Schritte
an. Spahn, Heil und Giffey seien gefordert, sagte Vorstand Eugen
Brysch der Deutschen Presse-Agentur. «Sie müssen endlich einen
konkreten Plan vorlegen, wie die Pflege der Zukunft aussieht und
finanziert wird.» Es sei nicht neu, dass Pflegekräfte besser bezahlt
werden müssten. Auch sei klar, dass die Eigenanteile der
Pflegebedürftigen zu begrenzen seien. Daher sei zu klären, woher das
Geld dafür kommen solle. Zu befürchten sei aber «zu viel heiße Luft
».

Spahn sagte in der ARD, die Pflege werde in der älter werdenden
Gesellschaft teurer werden. Nötig sei eine faire Kostenverteilung,
über die in der Koalition noch gesprochen werde. «Wir wollen nicht,
dass die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen übermäßig zusät
zlich
belastet werden.» Giffey betonte, mehr als 80 Prozent der
Beschäftigten in sozialen Berufen seien weiblich. Eine anständige
Bezahlung sei deswegen auch im Interesse der Frauen.

In der Alten- und Krankenpflege sind rund 1,6 Millionen Menschen
beschäftigt, fast 40 000 Stellen sind unbesetzt. Die Regierung will
vor allem im Inland mehr Fachkräfte gewinnen, ergänzend aber auch aus
dem Ausland. Dafür sollen bestimmte Anforderungen vereinfacht werden.
Ein Problem ist, dass bei strapaziösen Bedingungen viele nur noch
Teilzeit arbeiten oder ganz aus dem Beruf aussteigen. Vereinbart
worden sei nun auch, Rückgewinnungsprogramme auf den Weg zu bringen,
berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).

Als erstes Ergebnis der «Konzertierten Aktion» war im Januar schon
eine «Ausbildungsoffensive» angekündigt worden. Bis 2023 soll die
Zahl der Azubis und ausbildenden Einrichtungen im Bundesschnitt um
zehn Prozent im Vergleich zu diesem Jahr zulegen. Geplant ist zudem
eine neue Pflegeausbildung ab 2020 - dann soll bundesweit auch kein
Schulgeld mehr fällig werden, Azubis sollen vielmehr Vergütungen
bekommen. Geplant sind außerdem 5000 Weiterbildungsplätze.

Die «Konzertierte Aktion» hatten Union und SPD im Koalitionsvertrag
vereinbart. Der Begriff ist aus Zeiten der ersten großen Koalition
bekannt. Angesichts der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik
rief Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1967 Vertreter von
Regierung, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften an
einen Tisch. «Konzertiert» meint «verabredet» - also den Versuch,
Interessen freiwillig abzustimmen und in Einklang zu bringen.