Bayerns Sozialgerichte ächzen unter Klageflut

Eine Einigungsempfehlung des Gesundheitsministerium sollte nach einer
Gesetzesänderung eine Klagewelle von Krankenkassen gegen
Krankenhäuser verhindern. Nach Ansicht des bayerischen
Landessozialgerichtes hat das nicht geklappt.

München (dpa/lby) - Nach einer Änderung des
Krankenversicherungsrechts ächzen Bayerns Sozialgerichte unter einer
noch größeren Klageflut als bislang angenommen. «Die bisher
bekanntgegebene Schätzung zusätzlicher Verfahren von 14 000 Verfahren
liegt nach neuen Erkenntnissen sicher deutlich höher», sagte der
Präsident des bayerischen Landessozialgerichtes, Günther Kolbe, in
München. Er geht nach Gesprächen mit den Krankenkassen inzwischen von
insgesamt deutlich mehr als 22 000 Verfahren aus.

«Ein Großteil davon wird sich nach gegenwärtiger Einschätzung nicht

mehr unstreitig erledigen», sagte Kolbe. Die Empfehlung des
Bundesgesundheitsministeriums, die für außergerichtliche Einigungen
zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sorgen sollte, nannte er
«unzureichend». «Die daran geknüpfte Erwartung, die Klageverfahren

mögen sich unstreitig beenden lassen, entpuppt sich als grobe
Fehleinschätzung.»

Die Lage sei noch unübersichtlich, weil viele
Abrechnungsstreitigkeiten gebündelt eingereicht würden und diese
«Klagepakete» noch aufgeschnürt werden müssten, um die einzelnen
Verfahren zu ermitteln.

Die AOK Bayern spricht beispielsweise von 70 Klagepaketen, von denen
mehr als 50 außergerichtlich geklärt werden konnten. Noch anhängig
sind der Krankenkasse zufolge 17 Klagen. Die konkrete Zahl der Fälle,
die diese Klagepakete umfassen, nannte die AOK nicht.

Kolbe hat inzwischen einen Brief an das bayerische Sozialministerium
geschrieben und um deutlich mehr Personal gebeten. Um die Zahl 22 000
ins Verhältnis zu stellen: Das Sozialgericht in München behandelt
nach Angaben Kolbes pro Jahr bis zu 15 000 Verfahren - über alle
Fachbereiche hinweg.

Der Bitt-Brief wurde auch beantwortet, wie eine Sprecherin des
Sozialministeriums sagte. Die Sorgen würden «sehr ernst genommen».
Das Sozialministerium werde die weitere Entwicklung aufmerksam
verfolgen. «Sollte es weiterhin zu keiner politischen Lösung zwischen
den Krankenkassen und den Krankenhäusern kommen und die
Eingangszahlen bei den Gerichten auf einem so hohen Niveau
verbleiben, muss bei den kommenden Haushalten geprüft werden, ob
zusätzliche Planstellen erforderlich und realisierbar sind.»

Anlass der Klagewelle ist eine Änderung des Sozialrechts aus dem
vergangenen Jahr: Bisher hatten Krankenhäuser und Krankenkassen vier
Jahre Zeit, um Leistungen beziehungsweise Rückforderungen
einzuklagen. Jetzt sind es nur noch zwei.

Das Problem ist auch Thema auf einer Tagung der Präsidenten der
Landessozialgerichte der Bundesländer, die an diesem Montag in
Wörlitz in Sachsen-Anhalt startet. Es gebe dabei große Unterschiede
zwischen den Bundesländen, sagte der Präsident des
Landessozialgerichtes Sachsen-Anhalt, Michael Fock. Er verlangte,
dass die zuständigen Ministerien in den Ländern den Sozialgerichten
genug Personal fürs Abarbeiten der Klagen bereitstellen müssten. Die
anhand durchschnittlicher Fallzahlen errechneten Personalstärken
reichten dafür nicht aus. Die Politik sei hier in der Pflicht.