Strippenzieher auf Tour: Bannon träumt vom «Erdbeben» in Brüssel Von Anne-Béatrice Clasmann, dpa

In Italien baut Trumps Ex-Stratege Bannon eine Akademie auf, die
Populisten aus aller Welt den letzten Schliff geben soll. Er berät
Marine Le Pen und besucht Viktor Orban. Warum tut er das? Geht es
Trumps früherem Berater um Macht? Eine kurze Begegnung in Berlin.

Berlin (dpa) - Seitdem Steve Bannon nicht mehr der Einflüsterer des
mächtigsten Politikers der westlichen Welt ist, hat er viel Zeit.
Zeit, die der 65-Jährige nutzt, um Rechtspopulisten in ganz Europa zu
beraten. Er hofft auf ein politisches «Erdbeben» nach der Europawahl.
Das ist sein Ziel. Da will er dabei sein. Auch die im Herbst
anstehende Landtagswahl in Sachsen interessiert ihn sehr.

Jetzt also Berlin. Wenn der frühere Chefberater von US-Präsident
Donald Trump aus dem Fenster seines Hotelzimmers schaut, blickt er
auf die Kuppel des Reichstagsgebäudes. In Weimar hat er den
AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Jörg Meuthen,
kennengelernt. Nächste Station ist Paris.

Warum ist es für Bannon als US-Bürger überhaupt wichtig, welche
Parteien im Europäischen Parlament vertreten sind?

Bannon sagt, seine Herkunft habe ihn zum Populisten gemacht. Er ist
ein Populist mit großem missionarischen Eifer. «Ich komme aus einer
typischen amerikanischen Arbeiterfamilie. Mein Großvater war ein
Leitungsmonteur bei der Telefongesellschaft, und mein Vater hat
diesen Job auch 50 Jahre lang gemacht. Deswegen habe ich nach meiner
Karriere in der Finanzbranche alles daran gesetzt, überall auf der
Welt die populistische Bewegung zu unterstützen, egal ob das in
Brasilien war oder jetzt in Europa oder Asien.»

Ob er glaubt, dass den Menschen heute stärker als zu Zeiten des
Trump-Wahlkampfes bewusst ist, dass es Desinformationskampagnen gibt,
und «Fake News»?

Schulterzucken. Bannon sagt: «Dass sich Menschen von Nachrichten
angezogen fühlen, die sie unterstützen, ist ganz normal. Ich denke
nicht, dass das eine schlechte Sache ist. Ich bin auch der Meinung,
dass diese Sache mit «Fake News» total übertrieben dargestellt wird.

Und zwar nur, weil die Linke jetzt verliert.» Deshalb heiße es jetzt
plötzlich, die Demokratie sei in Gefahr. «Wir hatten 2018 eine Wahl,
wo Trump eine schwere Niederlage erlitten hat.»

Einige AfD-Mitglieder hat Bannon schon getroffen. Doch welche anderen
deutschen Politiker kennt er, abgesehen von Bundeskanzlerin Angela
Merkel?

Viele scheinen es nicht zu sein. Bannon sagt: «Ich möchte mich nicht
in innenpolitische Dinge einmischen, aber ich denke, es gibt einige
Leute im Umfeld von Merkel, Herrn Spahn und andere, die sehr
beeindruckend sind.» Mindestens einen gemeinsamen Bekannten haben
Bannon und Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU: US-Botschafter
Richard Grenell, der mit seinen schroffen Ansagen in Berlin schon
mehrfach angeeckt ist.

Die AfD wird von ihren Kritikern als Partei der «Angstmacher»
bezeichnet. Auch Bannon wird oft vorgeworfen, er setze in seinen
Kampagnen vor allem auf ein Gefühl: Angst. Angst vor einem neuen
Krieg am Persischen Golf hat er aber nicht. Der ehemalige Chef der
rechten Nachrichtenplattform «Breitbart News» sagt, Trump sei
niemand, «der schnell den Finger am Abzug hat». Sanktionen seien
ohnehin das bessere Mittel, um den Iran in die Schranken zu weisen.

Stattdessen warnt Bannon: «Es wird erhebliche wirtschaftliche
Veränderungen in Deutschland geben.» Und er glaubt, dass das vor
allem mit China zu tun habe, wo Arbeiter wie «Sklaven» von der
Kommunistischen Partei ausgebeutet würden.

Deshalb findet es Bannon gut, dass Trump im Handelsstreit mit China
jetzt auf Eskalation setzt. Er sagt, westliche Staaten hätten
«erzwungenen Technologietransfer» und den «Diebstahl geistigen
Eigentums» durch China viel zu lange geduldet. «Deshalb sind das
jetzt keine Verhandlungen über Handel, sondern ein Wirtschaftskrieg,
den China seit 20 Jahren gegen den Westen führt und besonders gegen
Deutschland, und jetzt ist endlich mal jemand aufgestanden, um
dagegen anzukämpfen.»

Umso ärgerlicher ist es aus Bannons Sicht, dass ausgerechnet Italien,
das er als Brückenpfeiler des europäischen Populismus ansieht, Teil
des umstrittenen chinesischen Projekts «Neue Seidenstraße» werden
will. Italiens Innenminister Matteo Salvini und Meuthen seien die
treibende Kraft hinter der eurokritischen Populisten-Allianz, die
nach der Europawahl entstehen soll. Neben der AfD und der
italienischen Lega wollen sich dieser neuen Fraktion unter anderem
auch die französische Partei von Marine Le Pen und die
österreichische FPÖ anschließen.

Einige Beobachter vermuten, dass Bannon hier der große Strippenzieher
ist. Er weist das von sich: «Ich bin nur ein Amerikaner, der hier
ist, um zu tun, was ich kann, um Verbindungen herzustellen und um
Leute zu motivieren. Aber es war eigentlich Professor Meuthens Idee.»

Bannon sagt: «Wenn der Trend so bleibt, wie er jetzt ist, dann
könnten künftig 33 bis 35 Prozent der Abgeordneten Mitglieder von
Souveränitäts-Bewegungen sein. Das wird ein Erdbeben in Brüssel
auslösen.» Er lacht.

Doch ist es nicht merkwürdig, wenn Parteien, die auf Nationalismus
setzen und auf nationale Souveränität pochen, einen Berater wie
Bannon haben, der von einem anderen Kontinent kommt?

Bannon winkt ab. «Ich bin kein Berater. Ich bin nur ein Beobachter.
Wenn Leute meine Meinung hören wollen. Ich reise jetzt nach
Frankreich. Ich habe Marine Le Pen offensichtlich eine Menge
Ratschläge gegeben, so wie ich jetzt mit Meuthen gesprochen habe.»

Die ungarische Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban
gehört der konservativen Europäischen Volkspartei an, genau wie CDU
und CSU. Die Mitgliedschaft der Ungarn dort ist allerdings seit Mitte
März ausgesetzt. In der EVP ertrug man Orbans Hetze gegen die von
Jean-Claude Juncker geführte Europäische Kommission nicht mehr. Für
Salvini und seine Politik der Abschreckung von Bootsflüchtlingen war
Orban dagegen zuletzt voll des Lobes.

Hat Bannon vielleicht bei Orban dafür geworben, sich Meuthens neuer
Allianz der Populisten anzuschließen?

Er winkt ab. «Nein, nein, nein, nein. Ich habe nicht versucht, ihn zu
überzeugen. Alles, was die Zusammenarbeit zwischen ihm und Salvini
angeht, ist von den beiden selbst in Gang gesetzt worden. Die Zwei
sind wie ein Doppelschlag beim Boxen.» Dass Orban von Trump neulich
im Weißen Haus so herzlich empfangen wurde, hat Bannon genossen. «Ich
dachte, das ist ein großartiger Moment für die Bewegung der
Populisten. Ich habe dafür keine Lobby-Arbeit geleistet, aber ich war
sehr dafür, dass Orban zum richtigen Zeitpunkt ins Weiße Haus kommen
sollte, um den Präsidenten zu treffen. Ich wusste, dass der Präsident
ihn gerne treffen würde. Denn er ist genau Trumps Typ, er war schon
ein Trump, bevor Trump da war.»

Neben Meuthen hat Bannon diese Woche auch einen AfD-Politiker
getroffen, der international bislang nicht bekannt ist: Tino
Chrupalla. Der Malermeister aus Sachsen hat bei der Bundestagswahl
2017 den Wahlkreis Görlitz gewonnen - gegen den damaligen
CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Fünf Stunden lang habe er
sich mit Chrupalla unterhalten, mit Hilfe eines Übersetzers, erzählt
Bannon. Er sagt: «Ich fand ihn charismatisch, sehr beeindruckend.»

Bannon muss los. Ein Fernsehsender wartet. Im Juni will er wieder in
Deutschland sein - und Chrupalla in seinem Wahlkreis besuchen.