Wildschweinzaun? Nein danke! - Kritik am Bauwerk hält an Von Birgitta von Gyldenfeldt und Steffen Trumpf und Carsten Rehder

Seit Januar baut Dänemark an der deutschen Grenze zum Schutz gegen
die Afrikanische Schweinepest einen Wildschweinzaun. Doch der Protest
ist noch nicht verhallt. Naturschützer und Anwohner wehren sich.

Flensburg/Kopenhagen (dpa) - Arne Rüstemeier steht am Kollunder Wald
auf dänischer Seite an der Flensburger Förde. Neben ihm markieren
rote und gelbe Fähnchen den möglichen Verlauf jenes Zaunes, der
Dänemark vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) schützen soll.
Rüstemeier, Fraktionschef der CDU im Flensburger Rat, ist gegen den
Zaun. Wie so viele in der Region.

Der 1,50 Meter hohe Zaun soll Wildschweine an der deutsch-dänischen
Grenze daran hindern, von Deutschland aus ins Nachbarland zu
gelangen. Dänemark sorgt sich wegen der Krankheit um seine für den
Export wichtigen Schweinezucht. Der Bau des Zauns wird unter anderem
damit begründet, dass die starke Bejagung in Deutschland zu einer
Abwanderung von Wildschweinen nach Dänemark führen könnte.

Das Projekt ist unter Fachleuten umstritten. Kritiker führen unter
anderem an, dass sich das ASP-Virus vor allem durch Tiertransporte,
Jagdreisen und infizierte Lebensmittel ausbreite. Die europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam in einem Gutachten zu
dem Schluss, dass für die Prävention vorgesehene weitläufige
Zaunanlagen einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

Kommunalpolitiker Rüstemeier sagt, er könne die Sorgen der Dänen um
die Schweineproduktion nachvollziehen. Aber er glaube nicht, dass der
Zaun die geeignete Maßnahme sei, um Dänemark frei von der Seuche zu
halten. Dafür könnte er aber andere Auswirkungen haben. «Ich glaube,

die Sichtbarkeit macht schon etwas mit den Menschen», sagt er und
spricht damit aus, was viele in der Region denken. Es entspreche auch
nicht dem europäischen Gedanken, als Staat zu sagen, man baue eine
sichtbare Grenze. «Wir müssen eigentlich als Europäer gemeinsam daf
ür
sorgen, dass sich die Schweinepest nicht ausbreitet beziehungsweise
ordentlich bekämpft wird.»

Von der Tierseuche betroffen sind in Europa bislang vor allem
osteuropäische Staaten, das Baltikum und Belgien, wo der Erreger bei
Wildschweinen nur etwa 40 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt
nachgewiesen wurde. Dies geht aus dem Radar Bulletin hervor, das
unter anderem vom Friedrich-Loeffler-Institut erstellt wird.

Bislang stehen etwa zehn Kilometer des Wildschweinzauns entlang der
knapp 70 Kilometer langen Grenze. Nicht an einem Stück, sondern an
verschiedenen Orten. Man sei im Plan, damit das Vorhaben wie
angedacht bis November fertig sei, sagt Bent Rasmussen, der den Bau
des Zauns bei der dänischen Naturverwaltung beaufsichtigt.

Rund zehn Kilometer vom Kollunder Wald und der Flensburger Förde
entfernt wurde im Januar unter großem Medienrummel bei Ellund das
erste Teilstück des Zauns errichtet. Einige hundert Meter Zaun stehen
hier bereits. Eine Pforte ist ebenfalls eingebaut, auch wenn man noch
problemlos um den Zaun herumgehen könnte. Und die Pforte eh nur von
einem Acker auf den nächsten führt. In einiger Entfernung setzen
Bauarbeiter weitere Pfosten für den Zaun.

Viele Menschen sind hier Anfang Mai nicht zu sehen. Doch sie haben
den Zaun nicht vergessen, im Gegenteil. Das zuerst gebaute Teilstück
ist geschmückt mit bunten Häkelblumen und Girlanden. Auf Zetteln
stehen Botschaften wie «Grenzwertig» oder auch «Menneske er den
største risiko» («Der Mensch ist das größte Risiko»). Es ist da
s Werk
einer Gruppe von Aktivisten beiderseits der Grenze. Auf Instagram
posten sie unter «Wildschweinzaun_der_Liebe» Bilder der Blumen und
Texte und rufen auf, «für grenzenlose Nachbarschaft» mitzumachen.

Den Weg über die EU hat indes Bo Håkansson gesucht. Er hat im Namen
des dänischen Naturschutzverbands eine Petition gegen den Bau des
Zauns beim Petitionsausschuss des EU-Parlaments eingereicht: Eine
solche Maßnahme sei unverhältnismäßig und könne einen Eintrag der
ASP
nach Dänemark nicht verhindern, heißt es darin. Zudem laufe sie dem
EU-Ziel zuwider, die Landschaftszerschneidung in Europa zu
reduzieren. Die Ausschussvorsitzende Cecilia Wikström erklärte nach
der Debatte, es gehe in Europa nicht darum, Mauern oder Zäune zu
bauen, sondern Brücken. «Wir schreiben an die dänischen Behörden un
d
fordern eine sofortige Einstellung beim Bau des Zaunes.»

Flensburgs Kommunalpolitiker treibt neben den großen europäischen
Gedanken und der Symbolik des Zauns noch eine andere Frage um, mit
der sich eventuell zumindest der Verlauf des Zaunes am Kollunder Wald
beeinflussen ließe. Konkret geht es um rund 600 Meter Zaun im und am
Wald. Zudem soll das Bauwerk hier 30 bis 50 Meter in die Förde
hineinragen.

Als Hebel für Verhandlungen sieht Flensburg eine Grunddienstbarkeit,
die sich die Stadt als damaliger Eigentümer des Waldes bei dessen
Verkauf 2006 an Dänemark gesichert hat. Bedingung für den Verkauf sei
gewesen, dass im Kollunder Wald nicht ohne Zustimmung der Stadt
Flensburg gebaut werden darf. Mit deutlicher Ratsmehrheit wurde
kürzlich Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) aufgefordert, diese
Grunddienstbarkeit gegenüber Dänemark geltend zu machen und eine
Trassenführung um den Wald herum zu verhandeln. «Ich bin zumindest
der Meinung, dass wir versuchen sollten, diese Veränderung der Route
hinzubekommen», sagt Rüstemeier.

Rasmussen von der dänischen Naturverwaltung hält sich aus der Causa
Kollunder Wald heraus. «Das ist eine politische Angelegenheit. Als
Zuständiger für den Bau ist es nicht meine Aufgabe, die politische
Situation zu kommentieren», sagt er. Gebaut worden sei hier noch
nicht. «Wir haben im Kollunder Wald noch nicht begonnen, und wir
werden es auch nicht tun, bis die Situation gelöst ist.»