OVG Münster hört zwei Tage lang Experten zu Dieselfahrverboten

Die obersten Verwaltungsrichter des Landes NRW müssen in diesem Jahr
Urteile zu Diesel-Fahrverboten sprechen. Zuvor wollen sie sich an
zwei Tagen von neun Experten die Probleme erläutern lassen. Darunter
ist auch ein umstrittener Mediziner.

Münster (dpa/lnw) - Das Oberverwaltungsgericht in Münster will 2019
Urteile zu Fahrverboten in zahlreichen Städten in Nordrhein-Westfalen
sprechen. In dieser Woche bereitet das Gericht am Donnerstag und
Freitag mit einer Expertenanhörung diese Entscheidungen vor. Dazu
sollen Ingenieure, Raumplaner, Vertreter des Landes und Mediziner
verschiedener Fachrichtungen angehört werden.

An den zwei Tagen geht es um die Frage, wie die von der Deutschen
Umwelthilfe (DUH) als Kläger geforderten Maßnahmen zur Einhaltung der
Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) wirken. Ende Juli geht es dann
in ersten mündlichen Verhandlungen um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge
in den Städten Aachen und Bonn. Am 1. August will das OVG Urteile
verkünden. Am 12. September verhandelt das Gericht dann die Klage zu
einem Fahrverbot in Köln. Weitere von Klagen betroffene Städte sind
Bielefeld, Bochum, Dortmund, Düren, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen,
Hagen, Oberhausen, Paderborn und Wuppertal. Termine für diese Städte
stehen noch nicht fest.

Das Gericht will nun mit Hilfe von Experten erörtern, ob und wie die
vom Kläger geforderten Maßnahmen umgesetzt werden können. Umstritten

ist laut OVG zum Beispiel, inwieweit Durchfahrtsverbote für
Diesel-Fahrzeuge angeordnet werden müssen. Am Donnerstag sollen die
Fachleute Fragen zu Messstellen, Steuerung der Verkehrsströme und
Kontrollen beantworten. Nach Münster geladen sind: Christiane
Schneider vom Planungs- und Ingenieurbüro AVISO GmbH aus Aachen,
Andreas Brandt, Experte für Luft-Emissionen im Straßenverkehr beim
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv)
Nordrhein-Westfalen, Klaus Vogt, Experte für Luftreinehalteplanung
und Umweltzonen beim Lanuv und Jochen Richard vom Planungsbüro
Richter-Richard aus Aachen. Nordrhein-Westfalens Umweltministerin
Ursula Heinen-Esser (CDU) führt nach Angaben des OVG die Delegation
der Landesregierung an.

Am Freitag (10. Mai) wollen sich die Richter unter anderen den Zweck
von Grenzwerten und Gesundheitsgefahren bei Überschreiten der
Grenzwerte erläutern lassen. Experten dazu sind die Umweltmedizinerin
Barbara Hoffmann von der Uni Düsseldorf, der ehemalige
Abteilungsleiter am Lanuv, Prof. Peter Bruckmann, die für
Luftreinhaltung zuständige Abteilungsleiterin im Bundesumweltamt,
Marion Wichmann-Fiebig, der Direktor des Instituts für Medizinische
Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Alexander S. Kekulé und der Wissenschaftler Dieter Köhler aus
Schmallenberg.

Mit Köhler holt das OVG einen umstrittenen Experten nach Münster. Der

ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) hatte Anfang des Jahres mit einer Gruppe von
Lungenspezialisten eine Debatte angestoßen, in der sie den
gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte bezweifelten. Köhler
musste im Februar Rechenfehler eingestehen, blieb aber bei seiner
generellen Kritik.

Wegen der ausstehenden Entscheidungen des OVG gibt es in NRW bislang
keine Fahrverbote - anders in Hamburg und Stuttgart, wo ältere Diesel
in Teilen nicht mehr fahren dürfen.

Im April 2019 hatten führende Wissenschaftler begrenzte
Diesel-Fahrverbote auf einzelnen Straßen für wenig sinnvoll
bezeichnet, um die Luft in den Städten zu verbessern. Sie sprachen
von «kurzfristigem Aktionismus». Die Experten der Nationalen
Wissenschaftsakademie Leopoldina empfahlen stattdessen eine
umfassende Strategie und eine grundlegende Verkehrswende - mit einem
Ausbau vor allem des öffentlichen Nahverkehrs.

Hauptquelle für das gesundheitsschädliche NO2 in verkehrsreichen
Gebieten sind Dieselautos. Daher fordert die Deutsche Umwelthilfe
(DUH) Fahrverbote, wenn der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro
Kubikmeter im Jahresmittel nicht eingehalten wird.