Auch Heimarbeit kann krank machen - ILO verlangt besseren Schutz Von Christiane Oelrich und Christian Ebner, dpa

Wer morgens nicht ins Büro muss, sondern vom Sofa aus arbeiten kann,
findet das meist sehr angenehm. Dabei birgt Heimarbeit auch Risiken
für die Gesundheit.

Genf/Frankfurt (dpa) - Mit dem Laptop daheim zu arbeiten, kann
praktisch sein - spart man doch den Weg ins Büro oder kann nebenher
Kleinigkeiten im Haushalt erledigen. Aber für die Gesundheit ist
Tele- oder Heimarbeit nicht immer gut. Während im Büro meist sichere
Schreibtische und ergonomische Bürostühle stehen, behelfen sich viele
zu Hause mit dem Küchentisch oder dem Sofa. Angesichts des sich
rasant wandelnden Arbeitsumfelds hat die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) in Genf am Donnerstag neue Anstrengungen im
Arbeitsschutz gefordert.

Rund 374 Millionen Menschen werden nach ILO-Angaben weltweit jedes
Jahr durch die Arbeit krank oder verletzen sich bei Arbeitsunfällen.
Jeden Tag sterben nach Schätzungen 6500 Menschen an Krankheiten, die
durch ihre Arbeit verursacht wurden, und 1000 Menschen kommen bei
Arbeitsunfällen um.

Wachsende Herausforderungen seien Herz-Kreislauf- und
Atemwegserkrankungen, Krebs sowie Stress und psychosoziale Risiken,
so die ILO. Das gehe unter anderem auf befristete Arbeitsverträge
zurück, auf Arbeitgeber-Forderungen nach mehr Flexibilität bei den
Arbeitszeiten und zunehmende Tele- oder Heimarbeit. Arbeitnehmer
könnten sich dort isoliert fühlen oder es stressig finden, wenn
Arbeit und Freizeit immer weniger klar getrennt sind.

Zu Stress und Gefühlen der Isolation führten manchmal auch smarte
Technologie und am Körper tragbare Geräte. Sie könnten zwar helfen,

die Sicherheit zu verbessern, etwa, indem sie Ermüdungserscheinungen
messen oder die Qualität der Luft, in der jemand arbeiten muss, so
die ILO. Aber Mitarbeiter bekämen dadurch auch unter Umständen das
Gefühl, die Autonomie über ihre Arbeit zu verlieren, so die ILO. Sie
könnten den Kontakt mit Kollegen vermissen, während sie früher mehr
Informationen direkt oder per Telefon ausgetauscht haben.

In Deutschland müssen Plätze für Tele-Arbeit eigentlich den gleiche
n
Vorschriften entsprechen wie im Betrieb. Arbeitgeber sind nach der
Arbeitsstättenverordnung angehalten, die Arbeitsplätze ergonomisch zu
gestalten und ihre Beschäftigten zu unterweisen. Viele Beschäftigte
arbeiten aber auch außerhalb dieser gesetzlichen Regelungen von zu
Hause oder unterwegs, sagt der Experte Nils Backhaus von der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
in Dortmund.

Nach nationalen und internationalen Befragungsdaten sei Homeoffice in
Deutschland noch nicht so weit verbreitet wie beispielsweise in den
Niederlanden oder Dänemark. EU-weit liege Deutschland im unteren
Mittelfeld, berichtet der Forscher. Am schwierigsten seien sicherlich
Jobs, die komplett von zu Hause erledigt würden. Hier sei die Gefahr
der sozialen Isolation am höchsten, auch ergäben sich Probleme in
Betrieben, die noch eine ausgeprägte Präsenzkultur pflegten.

Die Chance, Beruf und Privates zu vereinen, berge auch die Gefahr,
die beiden Bereiche zu sehr zu vermischen, sagte Backhaus.
Im Homeoffice würden die Menschen zudem häufig länger arbeiten und

die arbeitsmedizinisch sinnvollen Ruhepausen seltener einhalten.

«Intensivierung und Entgrenzung sind die Krux der modernen
Arbeitswelt», erklärte das IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen
Urban in Frankfurt. Die Bundesländer als Aufsichtsbehörden versagten

beim Gesundheitsschutz: Statt kontinuierlich Aufsichtspersonal zu
reduzieren, müsse wieder aufgebaut werden. «Der Bund muss endlich
eine Anti-Stress-Verordnung erlassen, um psychische Belastungen bei
der Arbeit abzubauen.» Die meisten Gefährdungen seien schließlich
schon lange bekannt.

Auch der rasante Anstieg von Industrierobotern bringt nach Angaben
der ILO neue Risiken mit sich. Roboter erleichterten zwar die Arbeit,
etwa weil sie schwere Lasten heben. Gleichzeitig bestehe aber die
Gefahr von Arbeitsunfällen im Kontakt mit diesen Maschinen.

Behörden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten diese neuen Risiken
untersuchen und Arbeitsstandards wo nötig verbessern, fordert die
ILO. Die Organisation gehört zu den Vereinten Nationen. Darin sind
neben Regierungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten. Die ILO
soll die soziale Gerechtigkeit und Arbeitsrechte verbessern.