SPD-Vorstand will Konzept für Pflege-Offensive beschließen

Abkehr vom Hartz-IV-System, Mindestlohn erhöhen, bessere finanzielle
Leistungen für Kinder: Mit ihren Sozialreformplänen will die SPD ihr
linkes Profil schärfen und so verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
Als nächster konkreter Schritt folgt nun eine Pflege-Offensive.

Berlin (dpa) - Die SPD treibt ihre Pläne zum Umbau der
Pflegeversicherung weiter voran. Nach dem Willen der Sozialdemokraten
sollen die Pflegekosten für Heimbewohner grundlegend anders
aufgeteilt werden. Der Eigenanteil, den Bedürftige oder Angehörige
leisten müssen, soll begrenzt werden. Dazu will der Vorstand an
diesem Montag ein Papier beschließen, das der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte die «Bild am Sonntag» darüber
berichtet. Das Vorhaben ist Teil des im Februar auf den Weg
gebrachten SPD-Konzepts für eine Reform des Sozialstaats.

Pflegebedürftige oder Angehörige müssen einen Eigenanteil leisten,
weil die Pflegeversicherung - anders als die Krankenversicherung -
nur einen Teil der Kosten trägt. Selbst bezahlt werden müssen neben
einem Anteil für die Pflege an sich zum Beispiel auch Unterkunft und
Verpflegung. Bisher ist der Eigenanteil nach oben offen, der von der
Pflegeversicherung finanzierte Anteil dagegen festgelegt. Die SPD
kritisiert, dass Betroffene befürchten müssen, bedürftig zu werden,
wenn ihre Ersparnisse aufgebraucht sind.

Wenn Pflegeversicherungen, Rente und Vermögen der Heimbewohner die
Kosten nicht abdecken, sind im nächsten Schritt laut Gesetz die
nächsten Angehörigen gefordert. Oft heißt das: Kinder haften für ih
re
Eltern - aber nur, wenn sie selbst genug Geld zur Verfügung haben.

Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sagte der «BamS» zu dem
Problem: «Der Eigenanteil muss gedeckelt werden, alle künftigen
Kostensteigerungen müssen dann von der Pflegeversicherung bezahlt
werden.» Der Eigenanteil schwanke zudem erheblich von Region zu
Region. Die Pflege in Hamburg sei teurer als in Sachsen-Anhalt. «Wir
wollen deshalb keinen bundesweiten Festbetrag, sondern den Status quo
festschreiben.»

In einer Bundesratsinitiative hatten auch verschiedene Länder eine
Deckelung des Eigenanteils auf den deutschlandweiten Durchschnitt von
618 Euro im Monat vorgeschlagen. Inklusive Unterkunft und Verpflegung
kamen zuletzt Summen von rund 1800 Euro im Monat zusammen.

Die SPD will die künftigen Mehrkosten mit einer Reihe von Maßnahmen
finanzieren. Unter anderem soll Pflege, die nur aus medizinischen
Gründen erfolgt, künftig von der Krankenversicherung bezahlt und
gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammengelegt werden. Die
SPD schlägt zur Finanzierung auch Steuermittel vor. Dies fordern
unter anderem auch die Verbraucherzentralen und Krankenkassen.

Die Ausgaben in der Pflege steigen wegen immer mehr
Leistungsempfängern. Zum Jahresbeginn war der Pflegebeitragssatz um
0,5 Prozentpunkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens gestiegen.
Beitragszahler ohne Kinder müssen künftig 3,3 Prozent zahlen. Dies
sollte Mehreinnahmen von 7,6 Milliarden Euro im Jahr bringen.

Die SPD-Pläne zur Pflege seien der zweite Teil des im Februar auf den
Weg gebrachten Konzepts für eine Reform des Sozialstaats, sagte eine
Parteisprecherin am Sonntag. Der SPD-Vorstand hatte auf Vorschlag von
Nahles einstimmig ein Paket mit sozialpolitischen Maßnahmen
beschlossen. Dazu zählt eine Erhöhung des Mindestelohns, Leistungen
für Kinder einfacher zu gestalten und das bisherige Hartz-IV-System
zu überwinden. Die Partei will damit aus dem anhaltenden Umfragetief
herauskommen. Seit Monaten dümpelt sie bei Werten unter 20 Prozent.

Der Sozialverband VdK begrüßte die Pläne. Auch nach Ansicht der
pflegepolitischen Sprecherin der Grüne-Bundestagsfraktion, Kordula
Schulz-Asche, geht der Vorschlag «in die richtige Richtung». Die
pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Nicole
Westig, warnte dagegen, von einer Deckelung der Eigenanteile
profitierten «lediglich höhere Einkommen, die sich die Pflegekosten
prinzipiell leisten können».

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte darüber hinaus in
der «Rheinischen Post» (Samstag) an, noch in diesem Jahr einen
Gesetzentwurf zur Altersvorsorgepflicht für nicht abgesicherte
Selbstständige vorzulegen. Nach seinen Angaben gibt es rund drei
Millionen Selbstständige, die im Alter nicht abgesichert sind.
Künftig müssten Selbstständige entweder «Mitglied in einem
Versorgungswerk sein wie beispielsweise Ärzte und Anwälte, durch die
Rürup-Rente abgesichert sein oder eben in die gesetzliche
Rentenversicherung eintreten», sagte Heil.