Was bringt das Schneller-Drankommen-Gesetz? Von Sascha Meyer, dpa

Die Abkürzung klingt wie ein Sportverein: TSVG. Das nun endgültig
besiegelte «Terminservice- und Versorgungsgesetz» soll Millionen
Patienten bei leidigen Wartezeiten helfen. Wie gut kann es wirken?

Berlin (dpa) - Für viele gesetzlich Versicherte ist es immer wieder
frustrierend: Ein Termin beim Facharzt ist erst Monate später frei,
Privatpatienten kommen nächste Woche dran. So etwas passiere nicht
überall, sagt auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Aber eben zu
oft. Die große Koalition will da mit einer Palette konkreter
Maßnahmen gegensteuern, ohne gleich das ganze System umzustürzen.
Nach dem Bundestag billigte am Freitag auch der Bundesrat die Pläne.
Patientenschützer befürchten auch neue Tücken.

Wo ist das Problem?

Lange Wartezeiten sind ein Aufreger, auch wenn Ärztevertreter schon
mal von «gefühlten Problemen» sprechen. Dabei ist die Situation nicht

überall gleich, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in
einer Studie ermitteln ließ: Auf Facharzttermine musste fast ein
Drittel der Befragten nach eigener Auskunft mehr als drei Wochen
warten. Dagegen kam beim Hausarzt gut jeder Zweite binnen drei Tagen
dran. Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten geht es schneller als bei Urologen
und Frauenärzten. Unterschiede nach der Kasse gibt es vor allem beim
Facharzt: Da mussten sich 34 Prozent der Kassenpatienten mehr als
drei Wochen gedulden, aber nur 18 Prozent der Privatpatienten.

Was soll sich in den Praxen ändern?

Kassenärzte müssen künftig 25 statt 20 Stunden in der Woche für
gesetzlich Versicherte da sein - in der Praxis oder bei Hausbesuchen.
Dabei sagen viele, dass sie das längst tun und im Schnitt schon mehr
als 50 Stunden arbeiten. Diese Ärzte sollten vor Kollegen geschützt
werden, die ihren Arztsitz nicht voll ausfüllen, argumentiert Spahn.
Bei Augen-, Frauen- und HNO-Ärzten muss es künftig fünf Stunden pro
Woche offene Sprechzeit geben - auch als Überlaufventil für Spontane.
Mediziner warnen, das könne zu langem Wartezimmer-Rumsitzen führen.

Was ist bei der Terminvermittlung vorgesehen?

Schon seit 2016 gibt es «Terminservicestellen» der Kassenärztlichen
Vereinigungen, die telefonisch Termine bei Fachärzten binnen vier
Wochen vermitteln. Je nach Bundesland haben sie aber andere Nummern
und sind an unterschiedlichen Tagen zu diversen Uhrzeiten erreichbar.
Ab 1. Januar 2020 soll bundesweit gelten: Jeden Tag, rund um die Uhr,
unter der Nummer 116 117, auch online und per Handy-App. Zusätzlich
ins Angebot kommen sollen zudem Termine bei Haus- und Kinderärzten.

Wie sollen Ärzte angespornt werden?

Entscheidender Hebel für Verbesserungen sollen Anreize für die Ärzte

sein. Zum Beispiel mindestens 10 Euro extra, wenn ein Hausarzt bei
der Überweisung gleich dafür sorgt, dass man einen dringenden Termin
beim Facharzt bekommt. Extra honoriert werden soll auch, wenn Ärzte
neue Patienten in der Praxis aufnehmen. Dadurch könnte aber die Höhe
des Arzthonorars über Wartezeiten entscheiden, warnte der Chef des
Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. Chronisch Kranke
und alte Menschen, die schon in Behandlung sind, bräuchten ihren Arzt
oft häufiger, mahnte auch der Vorstand der Deutschen Stiftung
Patientenschutz, Eugen Brysch. Sie könnten schwieriger Termine
bekommen, wenn sich Ärzte nur auf Neupatienten konzentrierten.

Was kostet das alles?

Auf die gesetzlichen Krankenkassen, die bisher schon 40 Milliarden
Euro im Jahr für Arzt-Honorare zahlen, dürften Mehrausgaben von bis
zu 800 Millionen Euro zukommen. Grüne und Linke wettern, das sei zu
teuer und Klientelpolitik für Mediziner. «Wer mehr behandelt, soll
auch entsprechend besser vergütet werden», rechtfertigte das Spahn
und verweist auf dicke Finanzpolster vieler Kassen. SPD-Fraktionsvize
Karl Lauterbach erläuterte, bisher verdienten Ärzte teils nichts,
wenn sie neue Patienten aufnehmen, was auch noch aufwendiger ist. Für
Praxen auf dem Land sind künftig garantierte Zuschläge vorgesehen.

Was soll sich bei der Digitalisierung tun?

Mit dem Gesetz will Spahn auch Tempo für neue digitale Angebote
machen. Es schreibt die Einführung freiwilliger E-Patientenakten bis
spätestens 2021 fest - nachdem das Gezerre um mehr Funktionen für die
elektronische Gesundheitskarte so etwas wie «der Berliner Flughafen
des Gesundheitswesens» geworden sei. Das Ministerium übernimmt dafür

nun 51 Prozent der Gematik-Gesellschaft, die sich auch um den Aufbau
einer Datenautobahn kümmert - unter Protest der bisherigen Träger aus
der Branche. Ab 2021 soll es auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
(«gelbe Scheine») bei längerer Krankheit in digitaler Form geben.