Verbraucherklage, Teilzeit, Mütterrente: die Jahresbilanz der Groko

«Neue Dynamik für Deutschland» verspricht der Koalitionsvertrag. Seit

einem Jahr ist die Regierung aus CDU, CSU und SPD im Amt. Was hat sie
den Bürgern gebracht?

Berlin (dpa) - Die große Koalition hat sich nicht wenig gestritten im
letzten Jahr. Aber sie hat tatsächlich auch Entscheidungen getroffen,
die viele Bürger betreffen - als Mieter, Arbeitnehmer oder
Beitragszahler. Ein Überblick:

VERBRAUCHER: Seit November kann ein Verband stellvertretend für
Tausende Verbraucher zum Beispiel gegen Unternehmen vor Gericht
ziehen. Bei der ersten eingereichten Musterfeststellungsklage
verbünden sich gerade mehr als 400 000 Dieselfahrer im Abgasskandal
gegen Volkswagen. Die Verbraucherklage soll es ihnen leichter machen,
an Schadenersatz zu kommen, das Risiko übernimmt der klagende
Verband.

MIETER: Seit Jahresbeginn kann man sich einfacher gegen Wuchermieten
wehren - zumindest in Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt. Die
große Koalition hat die Mietpreisbremse verschärft. Vermieter müssen

jetzt offenlegen, was der Vormieter gezahlt hat, damit man einfacher
erkennt, ob die eigene Miete zu hoch ist. Um Schikane und
«Rausmoderniseren» zu verhindern, gibt es Bußgelder für Vermieter u
nd
Schadenersatz für Mieter. Das erste Bundesland (Schleswig-Holstein)
will die Mietpreisbremse allerdings schon wieder abschaffen, weil sie
nicht wie geplant funktioniert hat.

ARBEITNEHMER: Seit Januar gibt es ein neues Recht auf zeitlich
befristete Teilzeit: Die vereinbarte Arbeitszeit kann nun für ein bis
fünf Jahre verringert werden. Dann müssen die Arbeitgeber die
Rückkehr in Vollzeit ermöglichen. Die befristete Teilzeit mit
anschließender Brücke in Vollzeit gilt in Unternehmen mit mindestens
45 Beschäftigten, wenn der Mitarbeiter mindestens ein halbes Jahr in
dem Betrieb ist. Arbeitgeber mit 46 bis 200 Beschäftigten müssen nur
einem von 15 Arbeitnehmern den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren.
Weitere gesetzliche Verbesserungen betreffen die Qualifizierung: So
sollen Beschäftigte durch bessere Förderung von Weiterbildungen durch
die Arbeitsagentur für den digitalen Wandel gewappnet werden.

ARBEITSLOSE: Arbeitslose können leichter Arbeitslosengeld I beziehen:
Sie müssen binnen 30 Monaten mindestens 12 Monate Beiträge gezahlt
haben - zuvor waren es 12 Monate binnen 24 Monaten. Und für
Langzeitarbeitslose gibt es seit Jahresanfang neu geförderte Jobs für
den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Fünf Jahre erhalten Arbeitgeber
dafür Geld vom Staat: In den ersten beiden werden die Lohnkosten voll
übernommen, dann sinkt der Zuschuss jedes Jahr um zehn Prozentpunkte.
Bedingung ist, dass Langzeitarbeitslose älter als 25 Jahre sind und
binnen sieben Jahren mindestens sechs Jahre Hartz IV bekommen haben.
Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist dieses Programm
für einen sozialen Arbeitsmarkt gut angelaufen.

BEITRAGSZAHLER: Die 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen
Krankenkassen wurden zu Jahresbeginn in Milliardenhöhe entlastet -
die Arbeitgeber müssen wieder die Hälfte des gesamten Beitrags
zahlen. Sie finanzieren nun auch die Zusatzbeiträge zu gleichen
Teilen mit, die von den Mitgliedern lange allein zu zahlen waren. Zum
Jahreswechsel stieg zudem der Pflegebeitrag um 0,5 Punkte und der
Arbeitslosenbeitrag wurde um 0,5 Punkte gesenkt.

FAMILIEN: Mehr Erzieher, längere Kita-Öffnungszeiten oder geringere
Beiträge - dafür bekommen die Länder in den nächsten Jahren eine
Menge Geld. Bis 2022 gibt der Bund 5,5 Milliarden Euro für gute
Kitas. Wie die Länder das Geld nutzen, entscheiden sie selbst: Einige
wollen die Kitagebühren damit ganz abschaffen, andere lieber in
bessere Betreuung investieren. Nicht nur bei der Kinderbetreuung,
auch beim Bauen hat die GroKo an Familien gedacht: Wer ein Haus baut
oder eine Wohnung kauft, kann pro Kind 12 000 Euro vom Staat
bekommen, gezahlt über zehn Jahre. Das soll gleichzeitig Familien
helfen und den Wohnungsmarkt entspannen. Wer profitieren will, muss
sich allerdings beeilen: Bis Ende Januar gab es 64 000 Anträge - 1,3
Milliarden der bis Ende 2020 eingeplanten 2,7 Milliarden Euro sind
damit schon verplant.

RENTNER: Die Koalition weitete die Mütterrente deutlich aus.
Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder werden stärker
angerechnet. Die betreffenden Renten erhöhten sich so pro Kind um
16,02 Euro brutto im Westen und um 15,35 Euro im Osten. Zudem wird
das Rentenniveau - das Absicherungsniveau der gesetzlichen Rente -
bis 2025 konstant gehalten: Das Verhältnis der Renten zu den Löhnen
wurde per Gesetz bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben. Der
Rentenbeitragssatz soll bis dahin zudem die 20-Prozent-Marke nicht
überschreiten. Heute beträgt er 18,6 Prozent. Mehr Geld bekommen
Menschen, die wegen Krankheit neu zu Erwerbsminderungsrentnern
werden.