Das fremde Herz - erste Transplantation in Deutschland vor 50 Jahren Von Sabine Dobel, dpa

Vor 50 Jahren nähten in München erstmals bundesweit Ärzte ein
Spenderherz in die Brust eines Menschen. Es schlug - aber nur für
einen Tag. Heute ist die Herztransplantation ein etabliertes
Verfahren. Manche Menschen leben mit neuem Herz Jahrzehnte.

München (dpa) - Es war ein Durchbruch - und eine Niederlage zugleich.
Vor 50 Jahren gelang einem Team um den Münchner Arzt Rudolf Zenker
die erste Herztransplantation in Deutschland. Die Operation sei
«programmgemäß» verlaufen, meldete Zenker kurz danach. Das fremde
Herz war in der Brust des Patienten erfolgreich zum Schlagen gebracht
worden. Doch 27 Stunden später war der Patient tot. Zenker trat kurz
angebunden vor die Presse und verlas eine Stellungnahme. Er nannte
die Organverpflanzung einen Misserfolg und verließ den Saal.

Dennoch war der 13. Februar 1969 ein historisches Datum für die
deutsche Transplantationsmedizin. Der erste Durchbruch war Christiaan
Barnard im südafrikanischen Kapstadt am 3. Dezember 1967 gelungen,
als er das weltweit erste Herz verpflanzte. International hatten sich
mehrere Teams auf den Schritt vorbereitet, den Barnard als erster
wagte. Auch sein erster Patient überlebte nur 18 Tage.

«Es war alles sehr früh», sagt Bruno Reichart, der 1971 Assistent bei

Zenker und Mitte der 1980er Jahre in Kapstadt Nachfolger von Barnard
wurde. Voraussetzung für die Transplantationen war die Entwicklung
der Herz-Lungen-Maschine. Doch die Möglichkeiten im OP wie auch in
der Diagnostik waren im Vergleich zu heute begrenzt. «Man muss dem
Schritt großen Respekt zollen, dass man es gemacht hat», sagt
Reichart. Die Ärzte hätten nichts falsch gemacht. Sie seien bestens
vorbereitet gewesen. «Es war für sie schwer zu verkraften. Sie haben
nicht gern darüber gesprochen», erinnert er sich.

Die Chirurgen Werner Klinner und Fritz Sebening mit einem rund
30-köpfigen Team unter Zenkers Leitung hatten die OP akribisch
geplant. Der 36-jährige Patient war todkrank. Der komplizierte
Eingriff glückte. Doch das fremde Herz pumpte nicht richtig. Es
stammte von einer tödlich verunglückten 39-Jährigen und war - für d
ie
Ärzte damals nicht feststellbar - bei dem Unfall verletzt worden. Die
Obduktion nach der gescheiterten Operation ergab, dass sich an einem
kleinen Riss in der hinteren Herzkranzarterie ein Blutpfropf gebildet
hatte, der zum Tod des Herzpatienten führte.

Zwischen Barnards erster Operation und dem Münchner Eingriff waren
weltweit gut 100 Herzen verpflanzt worden. Die Ergebnisse waren
niederschmetternd. Nur ein Patient, operiert von Barnard, erlebte den
Jahrestag der OP. «Die ersten Herztransplantationen lösten eine Welle
an Organverpflanzungen aus, die jedoch allesamt nicht längerfristig
erfolgreich waren», sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für

Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), Wolfgang Harringer.

In Deutschland starben auch der zweite und der dritte Patient nach
der Transplantation. «Die Erfahrungen waren weltweit die gleichen:
dass es nicht klappte», sagt Reichart. Insbesondere die Medikamente
gegen die Abstoßung des fremden Organs waren nicht ausgereift.

Sehr wenige Ärzte, unter ihnen Barnard und der US-Chirurg Norman
Shumway, operierten weiter, mit leicht steigendem Erfolg. Die meisten
schreckten zurück. «Die Ressourcen für Operationen waren knapp. Viele

sagten: Lasst uns das machen, wo die größte Not ist», beschreibt
Reichart die Stimmung. In manchen Kliniken galt ein Moratorium.

In Deutschland griff nach mehrjähriger Pause im Mai 1981 ein Team um
den Münchner Chirurgen Sebening am Deutschen Herzzentrum als erstes
wieder zum Skalpell. Neue Medikamente, die zur Vermeidung der
Abstoßung nicht mehr das komplette Immunsystem blockierten, brachten
nun bessere Erfolge. Auch andere Herzzentren wagten den Eingriff.

1983 nahm Reichert in München die erste Herz-Lungen-Transplantation
in Deutschland vor. 1997 verpflanzte er erstmals bundesweit Herz,
Lunge und Leber gleichzeitig. Diese Patientin lebte danach elf Jahre
- ein Zeichen für die Fortschritte in der Transplantationsmedizin.

Inzwischen ist die Herztransplantation eine anerkannte Behandlung für
schwerkranke Menschen. Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation
(DSO) transplantieren Ärzte in Deutschland pro Jahr an die 300
Herzen. Seit 1967 wurden mehr als 13 000 Herzen verpflanzt. Nach drei
Jahren schlagen Studien zufolge noch 70 Prozent der Herzen im
Empfänger, nach zehn Jahren 60 Prozent. Viele Patienten überleben
Jahrzehnte. Für Aufsehen sorgte der Extremsportler Elmar Sprink, der
seit 2012 mit Spenderherz lebt und seitdem vier Mal ein
Ironman-Rennen absolvierte.

Bis heute sterben aber viele Patienten, bevor sie ein Organ bekommen.
Die Warteliste ist lang. Mehr als 700 Menschen hoffen laut DSO in
Deutschland auf ein Herz. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
will die Zahl der Spenderorgane mit neuen gesetzlichen Regelungen
steigern. Auch Ärzte fordern neue Wege. «Wir sprechen uns deutlich
für die Widerspruchslösung im Zusammenhang mit der Organspende aus,
wie sie beispielsweise bereits in Österreich gesetzlich geregelt
ist», sagt der Herzchirurg und DGTHG-Präsident Harringer.

Bisher ist das menschliche Herz nicht ersetzbar. Ein Kunstherz,
dessen Antrieb der Patient als Köfferchen mittragen muss, gilt als
Übergangslösung. Hoffnungen ruhten schon früh auf einer anderen
Lösung: Tierherzen. Ärzte experimentierten erfolglos mit Affenherzen.

Aussichtsreich ist die Forschung mit gentechnisch veränderten
Schweineherzen, die Reichart vorantreibt. Gerade haben er und sein
Team einen Meilenstein erreicht: Ein Pavian mit Schweineherz
überlebte ein halbes Jahr, ehe der Versuch beendet wurde. Bis das
erste Schweineherz in einem Menschen schlagen kann, werden aber Jahre
vergehen. Klinische Studien könnten laut Reichart frühestens in drei
Jahren beginnen - eine Hoffnung für Patienten in fernerer Zukunft.