Spahn fordert Finanzreform für Altenpflege

Die Gesellschaft wird älter, die Kosten für Pflege steigen. Der
Gesundheitsminister will die Finanzierung reformieren - über den
richtigen Weg gehen die Meinungen aber auseinander.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die
Finanzierung der Altenpflege in Deutschland angesichts steigender
Kosten reformieren. «Wenn die Beiträge nicht immer weiter steigen
sollen, dann wird man auch über andere Finanzierungsmodelle
diskutieren müssen», sagte Spahn der «Bild»-Zeitung (Donnerstag).


Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge wird der Beitragssatz
angesichts immer zahlreicherer Pflegebedürftiger weiter steigen
müssen. Bis zum Jahr 2045 rechnen die Autoren mit einer Steigerung
von heute 3,05 auf 4,25 Prozent. Das wären für ein heutiges
Durchschnittseinkommen fast 550 Euro mehr im Jahr. Bereits Anfang des
Jahres war der Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte angehoben worden.

«Ich möchte einen offenen Dialog unter der Überschrift: Was ist uns
Pflege wert? Und wie entwickelt sich das auch in den nächsten zehn
bis zwanzig Jahren in einer älter werdenden Gesellschaft», sagte
Spahn am Donnerstag in Berlin. Auf ein konkretes Finanzierungsmodell
wollte der Minister sich zunächst nicht festlegen. «Das ist der
Beginn einer Debatte, da möchte ich nicht gleich schon die Ergebnisse
vorwegnehmen.»

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Karl Lauterbach sprach sich
für eine gemischte Finanzierung aus. «Mein Vorschlag: Dass wir die
Beiträge langsam erhöhen, die Steuermittel ebenfalls. Dass wir aber
auch Beamte und Privatversicherte stärker beteiligen, sonst ist das
schlicht ungerecht und Beitragserhöhungen nicht vermittelbar, wenn
nicht alle einzahlen.»

Die Arbeitgeber warnten vor einer zu starken Anhebung der
Sozialbeiträge. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sagte, ohne ein
Gegensteuern könnten die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen in
den nächsten 20 Jahren auf rund 50 Prozent steigen. «Für Wachstum und

Beschäftigung wäre das ein Desaster.» Kampeter forderte, die Beiträ
ge
nicht über 40 Prozent steigen zu lassen.

Linke und Grüne forderten eine Einbeziehung der heute
Privatversicherten. Die Linke-Pflegeexpertin Pia Zimmermann verlangte
auch, die Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen. «Es ist völlig
unverständlich, warum Menschen, die viel verdienen, prozentual
weniger einzahlen als diejenigen mit weniger Gehalt», sagte sie. Die
Grünen bekräftigten ihre Forderung nach einer
Pflege-Bürgerversicherung, bei der alle Bürger und alle
Einkommensarten berücksichtigt würden.

Diese Forderung unterstützte auch AWO-Vorstandsmitglied Brigitte
Döcker: «Alle Berufsgruppen, Einkommensarten und auch
Privatversicherte müssen in die gesetzliche Pflegeversicherung
einbezogen werden», sagte sie am Donnerstag.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch,
forderte, «wie in der Krankenversicherung auch die Pflegeversicherung
zusätzlich durch Steuermittel zu finanzieren». Der Spitzenverband der
gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) hatte sich bereits am
Mittwoch etwa für einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss für die
Pflegeversicherung ausgesprochen.

Brysch sagte zudem, Betroffene und Angehörige sollten für die Pflege
keinen Eigenanteil mehr zahlen müssen. «Die Menschen brauchen die
Sicherheit, dass die Pflegekosten solidarisch getragen werden.»