AKK redet, Merz muss zuhören: Neujahrsempfang beim Mittelstand Von Jörg Blank und Ruppert Mayr, dpa

Es ist der erste gemeinsame Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer
und Friedrich Merz seit der Wahl zum CDU-Vorsitz Anfang Dezember.
Ausgerechnet in der Merz-Hochburg, dem Mittelstand der Union.

Berlin (dpa) - Immer wieder blickt Friedrich Merz auf sein
Mobiltelefon, als Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Rede hält. Nervös
wippt er auf den Absätzen, streicht mit der Hand durchs Gesicht, es
scheint, als würde er den Ausführungen der neuen CDU-Vorsitzenden nur
seine halbe Aufmerksamkeit schenken. Sind die Wunden der Niederlage
gegen Kramp-Karrenbauer auf dem Hamburger Parteitag vor gut fünf
Wochen beim ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt nach der Wahl
noch nicht verheilt?

Der bei der Wahl zur Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin
Anfang Dezember knapp gescheiterte Wirtschaftsexperte steht an diesem
denkwürdigen Abend etwas abseits, fast etwas versteckt im Pulk der
vielleicht 300 Gäste beim Neujahrsempfang des Parlamentskreises
Mittelstand der Union in Berlin. Neben ihm steht Carsten Linnemann,
der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung MIT der Union
und ein klarer Fan von Merz. Gelegentlich stecken sie die Köpfe
zusammen.

Es ist ein denkwürdiger Abend. In London stimmen die britischen
Abgeordneten gerade überraschend klar gegen das von Theresa May mit
der EU ausgehandelte Ausstiegs-Abkommen. Und in Berlin treffen die
drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz ausgerechnet bei jener
Wirtschafts-Vereinigung der Union zusammen, die sich im Kampf um den
CDU-Vorsitz so klar wie sonst kaum eine Parteiorganisation auf die
Seite des 63-jährigen Finanzfachmanns geschlagen hatte. Hat also doch
eher der Ausstieg der Briten aus der EU die Aufmerksamkeit des
Sauerländers während der Rede seiner Rivalin auf sich gezogen?

Dieser erste gemeinsame Auftritt hätte ziemlich peinlich werden
können, wenn beispielsweise per Applausometer klar geworden wäre, auf
welcher Seite die Sympathien der Unions-Wirtschaftsvertreter
eigentlich liegen.

Doch Christian von Stetten, Chef des Parlaments-Mittelstands und als
ausgewiesener Merkel-Kritiker und Merz-Anhänger klar verortet, hat
sich ein paar Kniffe ausgedacht, um das zu verhindern. Als er alle
drei Kandidaten - neben Kramp-Karrenbauer und Merz ist auch der
damals bereits im ersten Wahlgang unterlegene Gesundheitsminister
Jens Spahn erschienen - begrüßt, nennt er zuerst AKK, wie die neue
Parteichefin gerne genannt wird.

Nachdem der Applaus für sie verklungen ist, spricht von Stetten Merz
und Spahn in einem Atemzug an - so dass am Beifall nicht klar
abzulesen ist, ob er eher Merz als Spahn gegolten hat. Dann verrät
der Baden-Württemberger von Stetten noch, dass er schon vor dem
Wahlparteitag alle drei Bewerber für den Fall eines Sieges als
Hauptredner zum Neujahrsempfang eingeladen habe. Gelächter im Saal.
Verscherzen, so kann man das deuten, wollten es sich die
Mittelstandsvertreter also wohl auf keinen Fall mit der neuen
Parteispitze - egal, wer sich am Ende durchsetzt.

Kramp-Karrenbauers Rede wird dann verhalten freundlich vom Publikum
aufgenommen. Gleich zu Beginn spricht sie Merz und Spahn an. Es
klingt ziemlich selbstbewusst, als sie sagt: «Lieber Jens, lieber
Friedrich, ich freue mich sehr, dass ich heute hier oben stehen darf.
Ich sag' das ganz offen.» Es spreche für von Stetten und «die
Klugheit eines klugen Unternehmers, schon mal gleich die Einladung
vorsorglich so zu gestalten, dass man auf jeden Fall auf der
Gewinnerseite ist».

Als Appell an die Geschlossenheit schiebt sie dann noch hinterher, es
sei ganz klar, dass Spahn und Merz «auch in Zukunft weiter eine ganz,
ganz wichtige Rolle dabei spielen, unsere CDU nach vorne zu treiben».
Dies sei doch «die eigentlich gute Nachricht zu Beginn des Jahres
2019». Merz soll Kramp-Karrenbauer vor allem in Wirtschafts- und
Steuerfragen beraten. Auf jeden Fall kommen die Unternehmer im Saal
jetzt gar nicht mehr darum herum, Kramp-Karrenbauer längeren Applaus
zu spendieren.