US-Studie: Viele Cannabis-Patienten setzen sich berauscht ans Steuer

Forschern zufolge fahren in den USA viele Patienten nach
Cannabiskonsum Auto. Auch in Deutschland dürfen Menschen auf den
Straßen unterwegs sein, die medizinisches Cannabis im Blut haben.
Experten sind besorgt.

Berlin/Michigan (dpa) - Viele US-amerikanische Patienten fahren nach
der Einnahme von medizinischem Cannabis Auto. Das haben Forscher der
University of Michigan in den USA herausgefunden. Den
Wissenschaftlern zufolge fuhren mehr als die Hälfte der
Studienteilnehmer Auto, kurz nachdem sie Cannabis konsumiert hatten.
21 Prozent der Befragten, also rund jeder Fünfte, gab an, bereits
«sehr high» am Steuer gesessen zu haben. Auch in Deutschland dürfen
Ärzte Cannabis verschreiben, es gibt aber keine derartigen
Erhebungen.

Für die US-Studie, die im Fachblatt «Drug and Alcohol Dependence»
erschien, wurden 790 erwachsene Cannabis-Patienten aus dem
Bundesstaat Michigan nach ihren Fahrgewohnheiten in den vergangenen
sechs Monaten befragt. Die Ergebnisse seien beunruhigend schreiben
die Forscher und warnen vor den Gefahren von Cannabis im
Straßenverkehr. Reaktionszeit und die Koordinierung litten deutlich
unter dem Cannabiskonsum. Den meisten Teilnehmern sei die Gefahr
nicht bewusst, erklärte Erstautorin Erin Bonar.

Die Psychologin und ihre Kollegen fordern darum eine bessere
Aufklärung der Patienten. Durch den regelmäßigen Konsum bestehe
besonders bei dieser Personengruppe eine hohe Wahrscheinlichkeit,
dass sie high am Straßenverkehr teilnähmen. 73 Prozent der Befragten
gaben an, täglich oder fast täglich Cannabis zu nehmen - in welcher
Form es konsumiert wurde, erhoben die Forscher nicht. Rund ein
Viertel der Befragten schätzte, am Tag drei bis vier Stunden high zu
sein.

Das Aufstellen einer Faustregel zum Cannabis-Konsum für Autofahrer
stellt auch die Forscher vor Herausforderungen, wie sie berichten.
Sie hätten bisher keinen Grenzwert festlegen können, der besagt, wann
Cannabis-Patienten bedenkenlos ins Auto steigen dürften.

Einschränkend zu den Ergebnissen schreiben die Forscher, dass die
Teilnehmer die Angaben zu ihrem Fahrverhalten aus der Erinnerung
heraus gemacht hätten. Die Erkenntnisse seien zudem nicht unbedingt
übertragbar, da nur Patienten aus Michigan interviewt worden seien.

Daten aus Deutschland zu dem Thema fehlen bisher. Die Diskussion um
medizinisches Cannabis und Straßenverkehr wird jedoch auch
hierzulande geführt. Seit März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland
schwerkranken Patienten derartige Präparate verschreiben, etwa gegen
Schmerzen. In einigen US-Bundesstaaten ist das schon seit einigen
Jahren möglich.

Voraussetzung hierzulande ist, dass andere Behandlungsmethoden
ausscheiden und die Cannabistherapie «eine nicht ganz entfernt
liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf» verspricht, wie es die Kassenärztliche
Bundesvereinigung formuliert. Außerdem muss die Krankenkasse das
Rezept beim ersten Mal genehmigen. In den ersten rund zwölf Monaten
nach der Zulassung gingen bei den gesetzlichen Kassen etwa 16 000
Anträge ein, von denen 60 Prozent genehmigt wurden, heißt es in einem
von der Techniker Krankenkasse (TK) geförderten Cannabis-Report von
2018.

Cannabis-Patienten schafften auch in Deutschland allerlei Probleme
für die Verkehrssicherheit, sagt Norbert Radzanowski. Er ist Sprecher
des Bunds gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS). Die
Teillegalisierung von Cannabis sei mit Blick auf die
Verkehrsteilnahme problematisch.

Wer Cannabis im Blut hat, muss laut Straßenverkehrsgesetz das Auto
stehen lassen. Ist es aber ärztlich verschrieben und wird
bestimmungsgemäß eingenommen, gilt das Fahrverbot in der Regel nicht.
Ein Strafverfahren drohe jedoch den fahrenden Cannabis-Patienten, die
auf Grund der Arznei-Wirkung nicht in der Lage seien, ein Fahrzeug
«sicher zu führen», etwa wenn es zu Ausfallerscheinungen komme,
antwortete die Bundesregierung 2017 auf eine Anfrage der
Linken-Fraktion. Das könne insbesondere in der Einstellungs- und
Eingewöhnungsphase dieser Medikamente geschehen.

Eine Gefährdung gebe es in jedem Fall, betonte hingegen Radzanowski.
Bis neue Regeln gefunden würden, fordert er darum: «Wer Cannabis
konsumiert, soll sich nicht ans Steuer setzen».