«Der Osten ist hungriger»: Ost-CDU hofft nach Parteitag auf Merz Von Martin Fischer, dpa

Die CDU will unter ihrer neuen Führung wieder eine starke Volkspartei
werden. Der Hamburger Parteitag soll das Aufbruchssignal zur
Geschlossenheit sein. Die Landtagswahlen in Ostdeutschland im
kommenden Jahr dürften ein erster Lackmustest sein.

Hamburg (dpa) - So mancher in den Ost-Landesverbänden der CDU hatte
sich von den Personalentscheidungen auf dem Bundesparteitag in
Hamburg ein anderes Ergebnis erhofft. Vor allem in Sachsen, Thüringen
und Brandenburg, wo die AfD den Christdemokraten vor den im kommenden
Jahr anstehenden Landtagswahlen besonders im Nacken sitzt. Auch nach
seiner knappen Niederlage gegen Annegret Kramp-Karrenbauer in der
Stichwahl um den Bundesvorsitz setzt man dort weiter auf den
wirtschaftskonservativen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Er
hatte mit seiner Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der
Infragestellung des allgemeinen Grundrechts auf Asyl Hoffnungen
geweckt, verloren gegangene Wähler wieder einfangen zu können.

«Friedrich Merz muss uns helfen, da setze ich sehr darauf. Er genießt
sehr viel Sympathie und Zustimmung vor Ort bei den Leuten an der
Basis», sagt Mike Mohring, der als CDU-Landeschef in Thüringen im
kommenden Jahr antritt, das rot-rot-grüne Bündnis von Bodo Ramelow
(Linke) abzulösen.

Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer, der in Sachsen mit der SPD
regiert, erwartet von dem Sauerländer Schützenhilfe für eine zweite
Amtszeit. «Friedrich Merz wird eingeladen, selbstverständlich. Ich
freue mich, wenn er kommen würde und mit eingreift in den Wahlkampf.»

In beiden Ländern liegt die AfD letzten Umfragen zufolge deutlich
über 20 Prozent, in Thüringen mit dem Rechtsaußen Björn Höcke sog
ar
fast gleichauf mit der CDU. In Sachsen hatte die AfD bei der
Bundestagswahl im September vergangenen Jahres als stärkste Kraft
abgeschnitten, wenn auch nur ganz knapp vor der CDU.

Merz hatte nach seiner Wahlniederlage in Hamburg zwar angekündigt,
weiter für die Partei arbeiten zu wollen, wo dies gewünscht sei. Er
war ansonsten aber vage geblieben und hatte nicht - anders als der
ebenfalls Kramp-Karrenbauer unterlegenen Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn - für einen Posten in den Führungsgremien kandidiert.

Die Wahl Kramp-Karrenbauers zur neuen Bundesvorsitzenden allein
reiche nicht, sagt Kretschmer. «Der Osten ist hungriger. Wir können
noch nicht zufrieden sein. Und wir wollen noch weiter.» Nun gehe es
für die CDU darum, «einen neuen Aufbruch zu erzeugen, eine neue
Dynamik mit einer neuen Themensetzung und auch der bewussten
Einbindung von Personen, die vielleicht bisher ein Stück weit abseits
gestanden haben.»

Es helfe nicht, nur «die Work-Life-Balance zu verbessern in den neuen
Ländern, sondern wirklich für höhere Einkommen und mehr Arbeitsplät
ze
zu sorgen. Das ist, glaube ich, der Unterschied», sagt Kretschmer.
«Und deshalb stellen wir noch mehr die Frage: nicht wie wollen wir
leben, sondern wovon wollen wir in den nächsten Jahren leben? Wie
entstehen neue Arbeitsplätze? Wie entstehen Ersatzarbeitsplätze aus
der Braunkohle? Wie kriegen wir eine neue Dynamik hin?»

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff äußerte sich am
Montag diplomatisch. Die Basis in seinem CDU-Landesverband habe sich
«frischen Wind» gewünscht und diesen vor allem mit Merz verbunden -
bei einer Mitgliederbefragung hatten knapp 56 Prozent der Teilnehmer
für den Ex-Fraktionschef votiert. «Aber ich bin mir sicher, dass wir
auch zusammen mit Annegret Kramp-Karrenbauer neue Ideen und
Initiativen umsetzen werden», sagte Haseloff. Sie müsse jetzt die
Parteiflügel einen und Lösungen für die Themen finden, die die
Menschen beschäftigten - etwa bei Bildung, Digitalisierung,
Wohnungsbau und Migration.

Kretschmer (43) und Mohring (46) wurden in Hamburg ins CDU-Präsidium
gewählt, wollen dort nach dem Ausscheiden der «Ossis» Merkel und
Ex-Innenminister Thomas de Maizière die Stimme der neuen Länder sein.
«Damit gewinnt man noch keine Landtagswahlen, aber natürlich ist so
ein Rückenwind besser als Gegenwind», sagt Mohring. Er sieht es als
Signal. «Dass man den Osten nicht beiseite legt, sondern uns beiden
jungen Neuen in die Spitzenmannschaft aufgenommen hat, ist ja genau
das Zeichen für den Osten.» Nur wer sich zu Wort melde, werde gehört.

«Und das ist unser Job.»

Wichtig sei vor allem, dass die CDU den Menschen unter der neuen
Parteiführung deutlich zeige, «wir stehen für einen handlungsfähige
n
Staat, der Sicherheit und Freiheit garantiert», sagt Mohring. «Dann
halten wir die Ränder klein und dann hilft uns das in den neuen
Ländern.»