Medikamente laut Barmer-Report zu oft unpassend verschrieben

Laut dem Barmer-Arzneimittelreport wird Medizin zu oft unpassend
verschrieben. Das kann für Patienten gefährlich werden. Helfen könnte

möglicherweise die Digitalisierung. Aber auch Patienten könnten dazu
beitragen, falsche Medikamentierung zu vermeiden.

Mainz (dpa/lrs) - Von Ärzten unpassend verschriebene Medikamente
gefährden unnötig oft die Gesundheit von Patienten. So lautet das
zentrale Ergebnis des Arzneimittelreports der Barmer, der am Freitag
in Mainz vorgestellt wurde. Verschriebene Medikamente würden zu
häufig nicht zum Gesundheitszustand oder Alter der Patienten passen.
Dazu kommen Risiken durch die gleichzeitige Einnahme mehrerer
Medikamente.

«Die Arzneimitteltherapiesicherheit ist in Rheinland-Pfalz nicht so,
wie sie sein sollte», sagte Dunja Kleis, die Landesgeschäftsführerin

der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, am Freitag in Mainz.
Es gebe durchaus eine Gefährdung in dem Bereich. Im schlimmsten Fall
könne es lebensbedrohlich werden: Untersuchungen in Finnland, Schweiz
und Schweden hätten ergeben, dass drei bis fünf Prozent aller
Todesfälle auf unerwünschte Arzneimittelereignisse zurückzuführen
sind.

Fast jeder fünfte Rheinland-Pfälzer bekam dem Report zufolge 2016
Protonenpumpenhemmer (PPI), die etwa gegen Sodbrennen wirken,
verschrieben. Bei nicht einmal der Hälfte dieser Patienten lag aber
eine entsprechende Diagnose vor. Man könne annehmen, dass vielen
Patienten PPI aufgrund von Vermutungen oder ungeprüft weiterverordnet
werden, sagte Kleis.

Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, Stefan
Holler, widerspricht: Die pauschale Behauptung der Barmer, es würde
zu viel oder unnötig PPI verschrieben, könne man nicht
nachvollziehen.

Den Ärzten wolle man aber gar nicht den Schwarzen Peter zuschieben,
sagte Kleis. Für die sei es enorm schwierig, den Überblick zu
behalten. Ärzte bekämen teilweise gar nicht mit, was ihre Kollegen
verschreiben, etwa wenn Patienten ohne Überweisung kämen.

Problematisch ist das etwa bei Patienten, die mehrere Medikamente
gleichzeitig einnehmen. Ihnen rät Kleis, von einem vom Arzt
ausgestellten Medikationsplan Gebrauch zu machen, auf dem die
verschriebenen Arzneien verzeichnet sind: «Nutzt ihn, nehmt ihn mit
in die Apotheken!» So könnten Patienten mitwirken, falsche
Medikamentierung zu vermeiden. Die Verantwortlichkeit für
die Therapie liege aber beim Arzt.

Verbesserungen erhofft sich Kleis außerdem von der geplanten
Einführung einer elektronischen Patientenakte, in der auch die
verschriebenen Medikamente vermerkt wären. «Auf elektronischem Wege
ist es auf jeden Fall besser, als wenn alle dran denken müssen»,
sagte sie. Voraussetzung sei, dass der Patient dem Speichern seiner
Gesundheitsdaten zustimmt. «Der Patient ist der Souverän seiner
Erkrankung und seiner Therapie», sagte sie.

Die Barmer veröffentlicht jährlich einen Arzneimittelreport mit
wechselnden Schwerpunktthemen. In der diesjährigen Ausgabe wurden für
den bundesweiten Report anonymisierte Daten von Barmer-Versicherten
aus dem Jahr 2017 ausgewertet. Für einen Rheinland-Pfalz-spezifischen
Teil wurden Zahlen von 2016 verwendet. In Rheinland-Pfalz gibt es
rund 458 000 Barmer-Versicherte. Die Zahl sei ausreichend groß, um
Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung zu übertragen, sagte Kleis.